Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Pilgern zum Herrn, zum König und in die Provinz

   J. Schäfer          

Freitag, 15. Mai

Der Sturm hat sich gelegt, aber es bleibt regnerisch und trüb. Ich fahre nach Sariego im Küstengebirge, der Heimat eines der Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges. Die Getreidespeicher sind hier groß, die Ackerschlepper klein - es ist harte Arbeit, hier zu leben.


Und dann bin ich in Oviedo, wo die Kathedrale in die Gasse grüßt. Für viele gehörte der Abstecher nach Oviedo im Norden zur Pilgerreise auf dem Jakobsweg. Denn wer Oviedo nicht besucht, sondern nur Santiago, der hat den Knecht besucht, aber nicht den Herrn; in Oviedo liegen viele Reliquien, die direkt mit Jesus verbunden sind.

Eine Kapelle der Kathedrale ist Barbara geweiht, hier liegen ihre Reliquien, nachdem sich ein Bischof diese Kapelle im 17. Jahrhundert als seine Grablege bauen ließ.

Als Anbau an die Kathedrale - tatsächlich aber ihr ältester Teil, Palastkapelle des 8. Jahrhunderts - präsentiert sich die fast schmucklose Camera Santa, die die meisten der wertvollen Reliquien bewahrt. 1934, während der zweiten spanischen Republik, kam es in Oviedo zu Bergarbeiteraufständen; sie zerstörten mit Dynamit - das sie ja hatten - als erstes das Heiligste der katholischen und konservativen Kräfte: die heilige Kammer. Wundersamerweise überdauerten die Reliquien aber die Zerstörung …
Heute ist die Schatzkammer Ziel eines Schulausfluges - ich muss warten.

Das Kreuz der Engel wurde der Legende zufolge von Engeln gefertigt, tatsächlich 808 von König Alfons II. gestiftet.

Kreuz mit einem Stück Holz vom Kreuz Christi, der Legende nach stammt es von Nikodemus.

Reliquienschrein, 1075 mit Silber überzogen, der zahlreiche bedeutende Reliquien enthalte.

Reliquien von Johannes dem Täufer, Mariä Himmelfahrt, Marias Haus, Petrus und Vincentius von Leon.

Im Untergeschoss der Camera Santa finden sich verschiedene Gräber des 8./9. Jahrhunderts.

die Kathedrale

Vor der Kathedrale ist heute Krämermarkt, da kann man auch diese Holzschuhe kaufen.

Eines der schönsten Häuser der Stadt gehört natürlich einer Bank.

die Universität

Das Rathaus mit Inschrift: sehr edle, sehr treue, lobenswerte, unbesiegte, heldenhafte, schöne Stadt Oviedo.

die Kirche San Isidoro el Real.

In der Markthalle gibt es all die Köstlichkeiten des Landes, darunter die ganzen Schinken, die es auch in jedem Supermarkt gibt.

Am Berghang südlich der Stadt liegen die Reste der um 850 von König Ramiro I. von Asturien gestifteten Kirche San Miguel de Lillo.

Eine besondere Kostbarkeit: das ganz aus einem Stein gearbeitete Fenster; leider - zurecht - etwas verborgen.

Wenige Meter entfernt, früher Palast, ebenfalls unter König Ramiro I. gebaut, dann Kirche: Santa María de Naranco.

In Turón bei Mieres starb Innozenz von der unbefleckten Empfängnis Canoura Arnau als Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges.

Zurück nach Süden geht es wieder über die Berge der kantabrischen Kordillieren; schlagartig kommt nach dem Tunnel durch den Pass die Sonne zum Vorschein und es ist warm - herrlich!

Wieder geht es tief aufs Land, noch in den Bergen: nach Camposalinas, dem Geburtsort des Bürgerkriegs-Märtyrers José Ricardo Díez mit dieser Kirche direkt neben seinem Elternhaus.

Auch in diesem kleinen und abgelegenen Dorf ist Wahlkampf für die Regionalwahl am 24. Mai, allerdings nur durch die Volkspartei: mit dem überall zu sehenden Slogan arbeiten - schaffen - wachsen.

Samstag, 16. Mai

Vom Campingplatz in Hospital de Órbigo bei León, von dem ich ja wusste, dass er am Wochenende offen ist - gut ausgestattet und gefüllt mit spanischen Dauercampern - aus besuche ich nun endlich die Hauptstadt Kastiliens; hier ist alles Jakobsweg.

Die massive Stadtmauer ist in Teilen erhalten, hier an der Basilika San Isidoro.

Tympanon am Tor des Lammes der Basilika San Isidoro.

Die angeblich erste demokratische Versammlung in Europa wurde 1188 von König Alfons IX. an der Basilika San Isidoro einberufen.

Ein modernes Denkmal stellt hier auch die Übertragung der Reliquien von Isidor von Sevilla nach León und die Übergabe durch Bischof an den König dar.

Auch nicht von schlechten Eltern: dieses Portal eines Hauses der Familie Guzmán (aus deren Verwandtschaft auch Dominikus stammte).

Die Stadt lebt. Elvis natürlich auch.

Die Kathedrale mit dem Grab von Froilan, dem Patron der Stadt, ist außerplanmäßig leider geschlossen - wegen einer Hochzeit …

… die Hochzeitskutsche bekomme ich immerhin zu sehen: ein Fleetwood von Cadillac.

Der letzte Rest des einstigen Königspalastes, in dem Gennadius von Astorga, Rudesindus von Dumio, Theresia von Portugal und Vinzenz Ferrer, zugange waren, ist die kleine Kirche San Salvador de Palat del Rey.

Noch ein Palast der noblen Familie Guzman.

Als ich in die Kirche San Marcello komme, in der der Stadtpatron Marcellus der Soldat sowie seine zwölf Söhne und seine Frau verehrt werden, beginnt gerade die Vorabendmesse in der gut gefüllten Kirche; ich erlebe eine sehr wohltuende, besinnliche Feier und verstehe sogar die wesentliche Aussage der Predigt …

… während von draußen die Geräusche des pulsierenden Lebens in die Kirche dringen.

Unweit der Kirche steht der Palast, in dem der Überlieferung zufolge die Mutter von El Cid - dem Ritter aus der Zeit der Reconquista, der zum spanischen Nationalhelden wurde - aufgewachsen ist. Ironie der Geschichte: El Cid ist arabisch, heißt der Herr

Wie überall im land, so auch mitten in der Stadt und ohne Scheu vor antiken Monumenten: ein Storchennest.

In der Abendsonne muss ich dann noch die große Brücke beim Campingplatz in Hospital de Órbigo fotografieren, die viele Jakobspilger seit Jahrhunderten benutzen.

Sonntag, 17. Mai

Den Weg zwischen León und Hospital de Órbigo befahre ich nun das sechste Mal; immerhin habe ich schnell gelernt, dass die Landstraße genau so schnell ist wie die hier kostenpflichtige parallele Autobahn, die folglich keiner benützt. In Spanien sind die allermeisten Autobahnen Autovias und kostenlos; nur wenige Autopistas kosten; was der Unterschied sein soll, erschließt sich mir überhaupt nicht, jedenfalls gibt es keinen Unterschied in der Qualität. Diesmal fotografiere ich endlich die drei Storchennester - samt Pilgern.

Unterwegs weist mich ein Schild zu den Ruinen des einstmals großen Klosters San Pedro de Eslonza, 912 gegründet vom ersten König von León, García I., 988 vom Muslimen Almanzur - der mir ja schon in Torrox begegnet war - wieder zerstört, 1099 wieder errichtet.

Nicht weit entfernt ist die ebenfalls einsam gelegene, restaurierte Kirche des ehemaligen Klosters San Miguel de Escalada, die Gennadius von Astorga 913 weihte; wieder ein schönes Beispiel mozarabischer Architektur. Weil auch hier Jakobsweg war (kaum ein weg ist hier nicht Jakobsweg), blühten die Klöster schnell auf.

Durch die tiefe Provinz fahre ich, wieder auf der Suche nach dem Heimatort eines Bürgerkriegs-Märtyrers, Julian Alfed Fernández Zapico, nach Cifuentes de Rueda. Seit ich am Freitagabend das Gebirge passierte, ist das Wetter gut, ich fahre seitdem ohne Heizung - herrlich! Gegenüber der Kirche des Dorfes suchen sogar die Schafe schon Schatten.

In Sahagún wurde am Ort des Martyriums von Facundus und Primitivus 911 Benediktinerkloster errichtet, in dem Attila von Zamora und Johannes a S. Facundo lebten. Das Kloster ist inzwischen Ruine, erhalten blieb aber daneben dieses Stadttor aus dem Jahr 1662.

Das neue Benediktinerkloster ist auch Pilgerherberge …

… und davor suchen Wandersleute heute den Schatten.

Melgar de Abajo ist gewiss keine Stadt - hat aber zwei Kirchen - welche ist die richtige für Luis Gutiérrez Calvo?

Er hat Weltgeschichte mitgeschrieben: Turibius Alfons Mongrovejo; dennoch ist seine Heimatstadt Mayorga mit der Einsiedelei des Turibius heute ein verschlafenes ländliches Provinzstädtchen.

An der Mauer vor der Kirche wurde die örtliche Prozession vor der Silhuette der Stadt dargestellt.

Von besseren Zeiten kündet das riesige ehemalige Dominikanerkloster.

Auch die Kirche San Salvador im Zentrum lässt erahnen, dass es bessere Zeiten gab - sogar solche als Residenz des Königs.

In Baquerin de Campos wurde Franz de Capillas geboren, heute ist das Dorf fast menschenleer, viele Häuser - sie sind hier in der Gegend traditionell aus Lehm gebaut, weil es keine Steine gibt - verfallen.

Und dann muss ich mich noch korrigieren: Rundhütten - auch strohgedeckt - sind hier doch Tradition!
Die Fahrt durch die weite Ebene zieht sich wie Kaugummi, mir ist langweilig und ich denke an die Pilger, die das alles zu Fuß bewältigen müssen - ich bin immerhin 20 Mal schneller.

Kurz vor dem Campingplatz - in Castrojeriz, auch weitab vom pulsierenden Leben, aber im Internet hoch gelobt - wird endgültig deutlich, wie tief im flachen Land ich mich bewege. Das ist jetzt wirklich wie in der Türkei.

Montag, 18. Mai, bis Mittwoch, 20. Mai

Auch Castrojeriz, der Zentralort der Region, hat schon bessere Zeiten gesehen. Auf den wirklich ordentlichen und gut besuchten Campingplatz - hauptsächlich Engländer und Holländer, dort wohl Geheimtipp - grüßt die Burg, die ein wichtiger Stützpunkt in den Zeiten der Reconquista war; da erkennt man, warum der Landstrich Kastilien heißt.
Montags will ich zur Post - im Navi verzeichnet. Sie hat 20 Minuten am Tag offen, ich bin zu spät. Etwas einkaufen muss ich auch: die Läden haben hier Tresen und Bedienung, die Ware steht dahinter. Wein will ich kaufen: den La Rioja nicht, der ist wohl teuer; den weißen auch nicht; bleibt der dritte, da ist die Auswahl nicht so schwer. Tempotaschentücher gibt es im nächsten Laden - der Inhaber versteht Zeichensprache. Preise sind für Touristen immer glatte €-Beträge: das ist einfach. Für ein kleines Brot aber 1 € - das ist stark! Normalerweise kostet ein Baguette 30 Cent - wie in der Türkei.
Dienstags komme ich rechtzeitig zur Post. Sie bleibt zu. Im Rathaus daneben erklärt man mir - englisch - der Postmann komme einstweilen nicht mehr, ich solle in den nächsten größeren Ort fahren: nur 27 km entfernt.

Die Burg aus dem 9. Jahrhundert, gebaut an der Stelle eines römischen Turmes, habe ich mir natürlich auch näher angesehen. Nachdem sie ab dem 16. Jahrhundert verfiel, wurden nach 1755 viele Steine nach Lissabon gebracht zum Wiederaufbau nach dem Erdbeben. Damals hat man sich in Europa noch solidarisch geholfen …
Nach drei schönen Tagen wird es ab Dienstag stürmisch und lausig kalt. Für die Nächte sagt der Wetterbericht 4° an, gefühlt jedenfalls ist es Frost. Warum habe ich ca. 15 T-Shirts, aber nur 2½ Pullover dabei?

geschrieben am 18., 19. und 20. Mai 2015


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