Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Historisch reich - gegenwärtig arm

   J. Schäfer          

Freitag, 24. Februar, bis Sonntag, 26. Februar

Nach zwei Tagen Arbeit auf dem Campingplatz bei Agrigento geht es ins Landesinnere, erste Station ist Sutera; der Ort ist an den Felsen geklebt, auf dessen Höhe die Wallfahrtskirche mit ehemaligem Kloster steht, wo Paulinus und Gefährten verehrt werden.


Weil das Kloster nur zu Fuß zu besteigen war, hat man 2012 mit EU-Geld diesen Aufzug gebaut, der den Tourismus in dieser abgelegenen Gegend befördern sollte; die 1400-Einwohner-Gemeinde kann aber die Betriebskosten nicht aufbringen, deshalb fuhr er noch nie, man bräuchte 15 Nutzer am Tag, wo sollten die hier herkommen? Die Staatsanaltschaft ermittelt.

Die Straßen hier in der Provinz sind - na ja: nicht zum schnellen Fortkommen; das Bild zeigt keinen Einzelfall. Die Erdkruste ist hier einfach zu dünn, Erdbeben üben ihre Gewalt, und die - wenn, dann heftigen - Regenfälle tun ihr Übriges.

In Acquaviva Platani erschien angeblich Maria 1950 achtmal der zwölfjährigen Bauerntochter und Hirtin Pina Mallia; die Erscheinung ist nicht kirchlich anerkannt …

… aber die Sonntagsmesse - mit einem vergleichsweise jungen Priester (!) - gut besucht.

In Castronovo di Sicilia, wo Hieronymus von Castronovo geboren wurde, ist am Sonntag Gelegenheit, Geschäfte zu machen. Vielleicht jedenfalls. Die faulen Sizilianer arbeiten ja sieben Tage die Woche, auch sonntags sind Läden, Supermärkte, Tankstellen geöffnet. Der Ortspatron Vitalis von Castronovo wird hoch über dem Dorf in einer ihm geweihten Kirche verehrt.

Die Mutterkirche in Santo Stefano Quisquina ist Santuario für den hier geborenen Jordan Hyazinth Ansalcone.

Die Statue im Inneren stellt den Märtyrer als triumphierenden Missionar dar.

Die ausnehmend gepflegte Kirche ist am Nachmittag von Andächtigen besucht.

In einer Höhle nahe Santo Stefano Quisquina, an der später eine Einsiedelei errichtet wurde, lebte angeblich Rosalia von Palermo. Heute ist der Ort Gedenkstätte, betreut von freundlichen jungen Leuten.

Nicht sehr repräsenativ ist die Rosalia von Palermo geweihte Kirche in Bivona.

Sehenswerter, auch wenn es sie hier noch oft gibt: ein echter alter Fiat 500.

Mühsam - erst für meine Kiste, dann für mich zu Fuß - ist der Weg auf den nach Rosalia benannten Monte delle Rose bei Bivona.

Auf der Heimfahrt brauche ich für 60 km auf der Staatsstraße gut 1½ Stunden - bei scharfer Fahrweise; auch die Staatsstraße hat ihre Löcher, die Ortsdurchfahrten erfolgen im Schrittempo. Verkehr ist unterwegs fast gar keiner - wie die Spanier können auch die Italiener sich das Benzin für größere Fahrten nicht mehr leisten.
Die Neue Zürcher Zeitung - gewiss nicht für linke Gedanken bekannt - schreibt: Italiens Mittelstand verarmt. Den meisten Italienern geht es heute deutlich schlechter als vor zehn Jahren. Auch wer studiert hat und hart arbeitet, kommt kaum mehr über die Runden. Armut und Arbeitslosigkeit haben im letzten Jahrzehnt stark zugenommen. Lebten vor Beginn der Krise 2007 noch 1,8 Millionen Italiener unter der Armutsgrenze, waren es 2015 fast 4,6 Millionen, das heisst rund 8 Prozent der Bevölkerung. Die Arbeitslosenquote ist derweil von 6,7 Prozent (2008) auf 10,9 Prozent (2016) gestiegen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent. Bereits Anfang der neunziger Jahre hatte Italien eine schwere Krise erlebt. Damals litten laut einem Bericht der Zentralbank vor allem die unteren Schichten; die sozialen Ungleichheiten nahmen stark zu. Die jüngste Krise jedoch, die 2008 einsetzte und bis heute anhält, hat zu einem Einbruch des Lebensstandards auf sehr viel breiterer Ebene geführt. Nicht nur die Ärmsten haben heute zu kämpfen. Auch der breiten Mittelschicht geht es heute deutlich schlechter als noch vor zehn Jahren. Sinkende Löhne, steigende Lebenskosten und der ständig zunehmende Steuerdruck haben vor allem in den Grossstädten zu einer Verarmung des einst gutsituierten Bürgertums geführt. Selbst viele, die eine feste Arbeitsstelle haben, kommen kaum mehr über die Runden.
Auch die Sparpolitik des Hoffnungsträgers Renzi ist gescheitert, scharenweise laufen seine Parteimitglieder davon, drei frühere Vorsitzenden gründen jetzt eine neue Partei, um eine erneute Ministerpäsidentenschaft von Renzi zu verhindern.
Obwohl das Wetter heute sehr mäßig war: der Sonnenuntergang in den Bergen hat 'was.

Montag, 27. Februar, bis Mittwoch, 1. März

Beim Besuch in der Stadt Agrigento - bis 1927 arabisch Girgenti genannt - komme ich zuerst an die Dominikanerkirche; das ehemalige Kloster ist heute ein Theater.

Die Stadt ist natürlich wieder am Berg gebaut und die Kathedrale steht wie immer ganz oben, also heißt es Treppen steigen, mit dem Auto geht hier gar nichts.

Die Kathedrale, ab 1096 nach der Rückeroberung von den Muslimen an der Stelle der Burg durch Bischof Gerland von Agrigento gebaut, hat Festungscharakter. Auch Matthäus von Agrigento war hier Bischof, Felix von Agrigento wird hier verehrt.

Der Gang durch die Stadt zeigt wenig sehenswertes; an der Franziskanerkirche warten die unvermeidlichen Schwarzen auf Touristen, um ein Geschäft zu machen; es kommen fast keine.
2016 gab es in Deutschland jeden Tag fast 10 - zehn, jeden Tag! - Angriffe auf Migranten und Asylbewerber, 3533 insgesamt; bei 2545 Angriffen wurden 560 davon verletzt, darunter 43 Kinder, hinzu kamen 988 Angriffe auf Unterkünfte und 217 auf Hilfsorganisationen und Helfer. Aber um das zu erfahren, muss man bei der BBC nachlesen.

Im Innern der Franziskanerkirche wird dieses Kreuz aus dem 18. Jahrhundert, umgeben von 24 Reliquien, gezeigt. Bonaventura von Agrigento, Cherubinus von Santa Lucia, Gandulphus von Agrigent und Matthäus von Agrigento lebten hier im Kloster.

Die Franziskanerkirche ist geschmückt - nicht, weil heute Fasching ist - davon merkt man praktisch nichts, nur einige Kinder sind verkleidet -, sondern für das große Fest der Mandelblüte am kommenden Wochenende.

Tief unter dem heutigen Straßenniveau liegt die Kirche San Calogero, im Ursprung wohl schon aus dem 6. Jahrhundert, dem Missionar Calogerus von Sizilien geweiht.

Wenn es schon wenig Sehenswertes gibt: hier wenigstens der Bahnhof

… ein Blick auf die am Berg liegende Altstadt …

… und an deren Rand: gewagtes Neues, mitten im Erdbebengebiet.

Im berühmten Tal der Tempel, wo damals 800.000 Menschen lebten - heute hat die Stadt 60.000 Einwohner: der Hera-Tempel - römisch: Juno -, wo das Opfer Liebesglück bringen sollte …

… und die Fundamente des römisch-hellenistischen Wohngebiets.

Schlechter als andere erhalten: der Herakles-Tempel - römisch: Herkules - von 510 v. Chr. Der Gott der Stärke war so beliebt, dass laut Cicero die Füße seiner Bronze-Statue von den Verehrern blank gescheuert waren. Goethe, dessen Italienische Reise ich gerade lese, war natürlich auch hier; damals lagen die Säulen noch am Boden.

Tracks
Bivona

geschrieben am 27. Februar und 1. März 2017


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