Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Freundliches Frankreich

   J. Schäfer          

Sonntag, 22. Juni

Am Marienheiligtum in Lestelle-Bétharram, wo Michael Garicoits wirkte, gibt es wieder eine dieser gut erhaltenen alten Brücken.


Das Marienheiligtum in Bétharram besteht aus drei Komponenten, hier die Kapelle Notre-Dame de l'Étoile aus dem 19. Jahrhundert zur Erinnerung an die Begebenheit, dass die strahlende Jungfrau einigen Hirtenkindern in einem glühenden Busch erschien.

Notre-Dame du Calvaire hat ihren Ursprung in einem 1616 errichteten großen Kreuz, das bereits zwei Monate später von einem Sturm umgerissen wurde; umgeben von einem Lichtstrahl richtete es sich von selbst wieder auf. Zu ihm führt heute ein Kreuzweg, dessen erste Station direkt neben der Kirche ist.
In der Kirche gibt es eine schöne Messe mit einer Predigt über Johannes den Täufer, von der ich vieles verstehe.

Das Marienheiligtum in Lestelle-Bétharram mit jährlich 50.000 Besuchern ist sozusagen der Vorgeschmack auf das, was wenige Kilometer weiter liegt: Lourdes.
Ich hatte mich auf große Menschenmassen eingestellt, aber das, was ich antraf, überstieg alle Erwartungen bei weitem. Die ganze Stadt scheint aus Souvenierläden und Hotels für die Pilger zu bestehen. An diesem kühlen Sonntag sind es Zehntausende, so dass teilweise kaum ein Durchkommen ist.

Es ist eine Atmosphäre wie beim Kirchentag - nur ist das hier jeden Tag so. Erfahrene Besucher - das sind offenbar sehr viele - bringen deshalb ihren Campingstuhl mit.

Heute ist offenbar auch Wallfahrt französischer Kriegsveteranen - viele Dutzend ihrer Fahnen sind zu sehen.

Von den drei Kirchen über der heiligen Grotte geht der Blick über die Esplanade auf die Stadt mit der Burg; direkt unterhalb wurde Bernadette Soubirous geboren.

Tausende haben sich zum Rosenkranzgebet an der Grotte eingefunden, viele folgen auch von jenseits des Flusses.

Wichtige Einnahmequelle des Sanktuariums: die Kerzen, Stück für 10 €, 9 Englische Pfund, 13 Schweizer Franken oder 15 US-$; sie sind, so steht es hier: Ihr verlängertes Gebet

Das Ziel vieler Pilger: die Entnahmestellen für das heilkräftige Wasser; der ungeheure Bedarf kann natürlich nicht mehr an der Originalquelle entnommen werden, sondern wird jetzt etwas entfernt davon den Zapfstellen entnommen.

Die Hauptmasse der Pilger sind natürlich ältere und kranke Menschen, aber es sind auch viele Junge darunter. Am Eingang der Grotte wird jeder einzeln von einem Priester gesegnet - viele hunderte Mal macht er das Kreuzeszeichen und spricht die Segensworte.

Nett: am Rand der Esplanade vor den Kirchen die Erinnerung an Bernadette als Schafhirtin.

Nicht die Einfahrt zur Tiefgarage, sondern einer der Eingänge zur unterirdischen Basilika Pius X., 1958 gebaut für 20.000 Menschen.

Ich habe Glück, trotz des schlechten Wetters: vor einem Jahr war das gesamte Sanktuarium einschließlich der Grotte überschwemmt.
Dass ich einen Tag später ähnliches erleben sollte, wusste ich noch nicht ...

Auch ich habe gekauft: eine Postkarte - und einen Lourdes-Wasserkanister, den werde ich auf der Rückreise meiner beinleidenden Tante vorbeibringen ...

Am Abend, nach einem ersten Regen, gehe ich noch einmal zur Grotte, um sie genauer anzusehen, wenn weniger Leute dort sind; es sind aber immer noch hunderte. Die Quelle hinter doppeltem Plexiglas schüttet heftig - und wenn man dazu bedenkt, wie viel Wasser die Leute an den Entnahmestellen zapfen ... Aus Mangel an Handgreiflichem in der Grotte berühren die Menschen den Fels, der schon ganz glatt und speckig ist ob all der Hände. Auch Kerzen kann man hier nicht mehr aufstellen, die auf dem Bild stehen sozusagen von Amts wegen hier.

Neben der Quelle hat man Häuschen aufgebaut, in denen die Kerzen deponiert werden. Abends wird das Wachs weggekrazt; gut, wenn man dazu einen Neger hat ...

Was macht man am Abend mit all den brennenden Kerzen? Man räumt sie ab, damit der Neger saubermachen kann ...

In der Stadt haben alle Geschäfte einen frommen Namen, selbst der Zigarettenladen.

Es werden alle bedient; die große Mehrheit der Besucher sind offenbar Italiener, man hört viel Italienisch und sieht viele Geschäfte und Lokale auf sie zugeschnitten.

Und weil der Platz möglichst nahe am Sanktuarium knapp ist, werden die Hotels in die Höhe gebaut - genauso wie in Andorra.

Am Abend erlebe ich tausende Menschen das Ave Maria singend bei der Lichterprozession auf der Esplanade.

Montag, 23. Juni

Am nächsten Morgen besuche ich noch das Geburtshaus, die alte Mühle, die jetzt inmitten der Altstadt liegt. Der Ort ist immer noch übervoll von Menschen.
Meine Hoffnung, das Wetter werde sich bessern und ich könne auch bei Sonne fotografieren, hat getrogen. Dennoch wage ich, was ich schon vor meiner Flucht nach Spanien vorhatte: ein bisschen Tour de France per Auto über drei Pyrenäenpässe. Schon die Anfahrt geht durch eindrucksvolle Schluchten.

An der Auffahrt auf den Col du Tourmalet zeigt sich: tatsächlich ist oben praller Sonnenschein, die Wolken liegen über den Tälern.

An der Straße wird fleißig gebaut. Auch hier gab es offenbar heftige Überschwemmungsschäden, deren Reste beseitigt werden, und natürlich ist - wie fast immer - die Tour de France auch dieses Jahr wieder zu Gast. Während ich von der flacheren Westseite komme, klettern die die steilere Straße im Osten nach oben, aber für die wilde Abfahrt muss die Straße im Westen in Ordnung sein.

Der Blick von der Passhöhe auf 2115 Metern nach Westen.

Der Gigant des Tourmalet - Denkmal für den ersten, der bei einer Tour den Pass erreichte: 1910, auf der Etappe von Luchon nach Bayonne, 326 km lang - ohne Gangschaltung und Carbonrahmen - dagegen sind die heutigen Profis Weicheier.

Aber alle Achtung vor den vielen - auch weiblichen und älteren - Amateuren, die heute mit dem Fahrrad den Pass erklimmen.

Schon unterhalb des Passes war mir das Schild ins Auge gesprungen: Attention - zone pastorale. Sollte es hier unerwartet doch auch Heilige geben? Nein: Animaux en Liberté, Tiere in Freiheit. So sollte es immer sein!

Nach dem Tourmalet folgt der Col d'Aspin, nur 1489 Meter hoch und von Westen aus recht flach, der Anstieg im Osten allerdings hat es in sich, wie man sieht. Über ihn führt die Tour.

Hier weiden Pferde auf der Passhöhe.

Das Massiv des Pic du Midi du Bigorre, 2872 Meter hoch, auf dessen Spitze eine Sternwarte angesiedelt ist.

Unspektakulär ist der dritte Pass, der Col de Peyresourde, aber ich muss gen Westen: zum Marienheiligtum nach Lourde. Dieser kleine Weiler im Vorgebirge der Pyrenäen hat seit 1892 seine eigen Marienstatue, Notre Dame de la Floraire, Unsere liebe Frau von der Blüte in einer Felsnische und daneben eine als heilkräftig geltende Quelle.

Die Statue ist eine Schenkung einer zugewanderten Bewohnerin des Dorfes. Und die Quelle ist ganz profan gefasst zur Wasserversorgung des Dorfes. Größer kann der Kontrast zum Vortag kaum sein.
Dieser Weiler ist jetzt auch mein Abschied von den Pyrenäen, nun will ich wieder gen Nordosten, durch das Languedoc und die Cevennen, aber weiter nördlich als bei der Hinfahrt.
Ursprünglich hatte ich vor, von Lourdes noch einmal nach Süden, in den Nordosten Spaniens, zu fahren, aber das lohnt nicht mehr - in knapp drei Wochen muss ich zuhause sein.

Auf der Fahrt übers Land sehe ich in einem Dorf dieses Kriegerdenkmal. La drôle de guerre, der lustige Krieg kommt mir in den Sinn, obwohl das Denkmal ursprünglich für die Gefallenen des 1. Weltkrieges errichtet wurde. Und der zweite war dann alsbald alles andere als lustig; dennoch: so gefallen mir Soldaten.
Abends übernachte ich in L'Isle-Jourdain bei Toulouse - hier war ich schon einmal, sozusagen der Kreuzungspunkt der acht, die ich nun fahre - und erlebe ein Gewitter wie wohl noch nie in meinem Leben: Ströme von Wasser vom Himmel, vom Sturm, der - auch mitten in der kleinen Stadt meine Kiste gehörig wackeln lässt - fast waagerecht gepeitscht, um 19 Uhr fast Nacht. Eigentlich wollte ich Essen gehen, aber jetzt kann kein Mensch aus dem Haus und ich nicht aus der Kiste. Zwei Stunden geht das so, anschließend laufend Martinshörner. Logischerweise gab es Schäden; unterhalb meines Parkplatzes ist die Straße, auf der ich gut eine Stunde zuvor bei Sonnenschein ankam, überschwemmt und gesperrt.
In der Kirche neben mir wird auch heute gesungen - Chorprobe ? -, trotz des Wetters; ganz nett, aber in Lourdes war das Ave Maria eindrücklicher.

Dienstag, 24. Juni

Das Wetter ist weiterhin schlecht - trocken, aber bedeckt und kühl, deshalb bleibe ich hier zum Arbeiten.
Feuerwehr, Polizei und Bauarbeiter arbeiten auch, unterhalb des Parkplatzes beseitigen sie weiter die Schäden; Morgen ist die Straße hoffentlich wieder frei.
Der Parkplatz im Stadtzentrum ist tagsüber reichlich frequentiert. Keiner kommt an meiner offenen Tür vorbei ohne zu grüßen, manche fragen nach meinem Befinden; dabei ist kein Unterschied zwischen den Fahrern dicker BMWs und zerbeulter Renaults. Abends kommt ein junger Mann ans Auto - Typ Rapper, ganz cool, er hatte mich schon am ersten Abend begüßt und sich nach meinem Befinden erkundigt - und fragt, ob ich schon gegessen hätte. Ja - heute hat es geklappt mit der Pizza. So, wie er gefragt hat, hätte er mir ohne Zweifel ansonsten etwas gebracht, er wohnt offenbar um die Ecke.

Mittwoch, 25. Juni

In Lavaur, wo Alanus eine Kirche gegründet hatte, fällt mir dieses Denkmal ins Auge: welchen Blutzoll Frankreich im 19. Jahrhundert für seine Größe entrichtete!

In Albi überwältigt wieder die Kathedrale mit ihrer Größe: 113 Meter lang, 35 breit, 40 hoch, der Turm 78 Meter hoch - die größte Backsteinkirche der Welt. Nach dem Sieg über die Albigenser galt es im 13. Jahrhundert, die Macht der katholischen Kirche deutlich darzustellen.

In der Schatzkammer der Kathedrale begegnen allerlei Reliquien, hier ein Armknochen der Patronin der Musik, Cäcilia von Rom.

Hier wird auch Ursula von Köln besonders verehrt, allerdings nur mit 1000 Gefährtinnen.

Man kann den riesigen Bau gar nicht ganz fotografieren.

Der Bischofspalast neben der Kathedrale wurde nach den Albigenserkriegen wie eine Burg gebaut und bewährte sich als Bastion in den Hugenottenkriegen.

Die Salvius geweihte Kirche ist sehr viel älter als die heutige Kathedrale, sie war früher der Bischofssitz.

Die - vergebliche Suche nach dem Geburtsort eines Heiligen führt mich wieder einmal in herrliche, einsame Gegenden.
Am Abend finde ich so einen Campingplatz in La Fouillade mit nettem Besitzer und weiteren sieben Gästen. Fünf davon schauen mit mir und dem Besitzer abends das Frankreich-Spiel; dass Frankreich schon qualifiziert war, wusste ich nicht, die Mitseher sind dennoch aufgeregt - die beiden Reporter im Fernsehen dagegen sehr sachlich und - zurecht - mit viel Lob für den Gegner aus Ecuador. In Spanien gibt es auch zwei sich ergänzende Live-Kommentatoren, ihr Reden gleicht unablässigem Maschinengewehr-Feuer, da sind die Franzosen entspannter. Heute 0 : 0, damit sind alle zufrieden, der Besitzer schenkt mir ein Bier.

Donnerstag, 26. Juni

Das Glück ist mir nicht hold: In der der Ordensgründerin Maria Wilhelmina Rodat geweihten Kirche in Villefranche-de-Rouergue hatte ich gefunden, was ich suche; auf der Suche nach ihrem Geburtsort im Schloss führt mich das Navi zu diesem Schloss der Familie Rodat, aber hier sind überall Schilder: Privat. Ich wage mich dennoch aufs Gelände, das weitgehend aus dem Gutshof besteht - bis ein gar nicht freundlicher Rottweiler und ein nur wenig freundlicher Mischling mich laut bellend begrüßen und mir den Weg verstellen wollen; so aufmerksam geworden, kommt eine eine Dame und schnautz mich an, was ich hier zu suchen hätte. Nur ein Foto? Nein!!. Keine freundliche Familie, die Nachfahren der Heiligen.
Ich fotografiere dennoch - und stelle nun fest: ich habe nicht richtig abgedrückt, es gibt das wirklich schöne Foto nicht; kleine Sünden werden sofort bestraft; zudem habe ich inzwischen herausgefunden: es war das falsche Schloss, die Familie hat mehrere.

Dafür eröffnet sich ein schöner Blick auf das nahe Rodez.

In der Kathedrale in Rodez gibt es viele erst kürzlich eingebaute moderne Glasfenster, darunter dieses von der Vereinigung der 1939 bis 1945 Gefangenen gestiftete, das ihre Leiden darstellt.

Auch in dieser Kathedrale hat das Chorgestühl wieder riesige Ausmaße ...

... und auch dieser Bischofspalast aus dem 14. bis 16. Jahrhundert gegenüber der Kathedrale gleicht von außen wieder einer Burg ...

... und im Innenhof einem Schloss. Der größte Teil der Gebäude ist heute allerdings staatlich.

Die Stadt hat auch andere schöne Häuser ...

... und wie immer freundliche Menschen; als ich das Denkmal (ein in der Gegend geborener späterer Erzbischof von Paris des 19. Jahrhunderts) fotografieren will, erhebt sich ein davor sitzender Jüngling, obwohl ich ihm sagte, dass er gar nicht störe.

Eine Dorfkirche - aber nicht die in La Canourgue, die ich gesucht habe. Diesmal ist wirklich das Navi schuld.

Auch in der Kathedrale in Mende gibt es eine schwarze Madonna, die dort spätestens seit 1249 hoch verehrt wird.

Der Bau der Kathedrale wurde 1368 durch Papst Urban V. in Auftrag gegeben, deshalb steht vor ihr sein Standbild.

Reste des 1079 gegründeten Priorats und Kirche in Chirac bei Mende; Urban V. trat hier in den Benediktinerorden ein.
Das Fußnallspeil Deutschland - USA höre ich unterwegs im Radio - besser gesagt den Live-Kommentar des Spiels Portugal - Ghana - dieses wird auch im Fernsehen übertragen, habe ich in einer Gaststätte gesehen - offenbar geht man in Frankreich davon aus, dass sich Löw und Kliensmann nicht in die Quere kommen werden.

Freitag, 27. Juni bis Samstag, 28. Juni

Zwei Tage verbringe ich arbeitend auf dem Campingplatz in Chanac, der gestern Abend zufällig auf dem Weg lag; hier in den Cevennen hat es sehr angenehem Temperaturen und kühle Nächte für erholsamen schlaf. Dieses Wochenende ist direkt neben dem Campingplatz das Mittsommerfest mit einigen Schaustellern, Essen und Trinken - alles im Stehen, wie auch in Spanien, nur Deutsche hocken gerne bequem. Das Programm verspricht einen Pétanque-Wettbewerb - die provencalische Variante des Boule-Spiels -, Vorführungen, verschiedene Bands, Tombola, Spiele für Kinder, Disco - eben was man so braucht für ein großes Fest, das für dieses Dorf mit 1400 Einwohnern erstaunlich viel bietet. Übrigens: Am Sonntag beginnt das Programm um 8.30 Uhr, Gottesdienst gehört nicht dazu - da haben wir es besser.

Selbst das große Feuerwerk findet statt, wenn auch mit etwas Verspätung.
Der Ort besitzt neben dem schönen komunalen Campingplatz eine neue Gemeindehalle, einen Fußballplatz, einen großen und gut bestückten Kinderspielplatz, viele Plätze für Boule, einen Kleinbus für Personentransport einschließlich Hebebühne für Behinderte, einen Kleinbus des örtlichen Comité d'Animation, ein Altersheim, einen Bahnhof, eine eigene Gemeindeverwaltung mit Bürgermeister, ein Tourismusbüro, eine Biblio- und Mediathek und natürlich eine Kirche (natürlich ohne eigenen Pfarrer) - wohlgemerkt: bei 1400 Einwohnern. Die Gemeinden hier sind noch nicht neoliberal ausgehungert und kaputtgespart.

Die Tracks:
Lourdes
L'Isle-Jourdain
25. Juni 2014 und Camping Cordes
26. Juni 2014 und Chanac

geschrieben am 24., 27. und 28. Juni 2014


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