Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Küste und La Mancha

   J. Schäfer          

Mittwoch, 11. Mai, bis Samstag, 14. Mai

Über eine kleine Kapelle nahe Foios bei Valencia, die an der Stelle eines früheren Klosters steht, in dem Attila von Zamora Mönch war, komme ich nach Llíria bei Valencia, wo Teresa von Jesus im Ordenshaus lebte und starb. Die Kirche „Mariä Himmelfahrt” beherrscht mit ihrer mächtigen Fassade den Hauptplatz der Stadt.


Oberhalb dieser heutigen Hauptkirche steht auf dem steilen Hügel an der Stelle der früheren Moschee die Kirche vom Blut, errichtet nach der Reconquista im 13. Jahrhundert.

In El Puig de Santa María entdeckte Petrus Nolaskus eine Marienstatue und gründete daraufhin ein Kloster seines Mercedarierordens. Ich entdeckte diese Katze.

Am herrlich oberhalb von Gilet herrlich gelegenen Kloster der Franziskaner erinnert die Sonnenuhr an die Vergänglichkeit des Menschen und an Lukasevangelium 12, 40: Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint. Heinrich de Ossó y Cervelló starb hier. Im Ort starben sieben Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges.

Wenn die Aufschriebe chaotisch sind, wird es die Fahrtroute auch: also geht's noch einmal nach Süden, zum heutigen Landgut San Onofre bei Museros; im ehemaligen Kloster war Ludwig Beltrán Prior.
Auch dieses Landgut ist wie die ganze Gegend um Valencia umgeben von Orangenplantagen; der Saft Valensina heißt nicht von ungefähr so.

In Almenara wurde die Ordensgründerin Genoveva Torres Morales geboren. In dem kleinen Städtchen - wie immer von einer Burg überragt - sind Teile der Stadtmauer erhalten. Drei Märtyrerinnen starben in dem Städtchen.

Die monumentale Wallfahrtskirche, das Santuario San Pascual Baylon, in Vila-real erreiche ich nach zermürbendem Verkehrsstau wegen einer Baustelle. Aus dem Franziskanerkloster der Stadt starb ein Märtyrer.

Rund um dieses Kloster wird aufgebaut für das zehntägige Stadtfest, das zu Ehren von Paschalis Baylon begangen wird, u. a. mit einer Stierhatz durch die Straßen der Innenstadt.

Welche Kräfte diese Tiere haben, lassen die massiven Absperrgitter erahnen. Der Aufwand zum Aufbau mit vielen Kranwagen und LKWs ist gigantisch! Aber Pamplona ist offenbar nicht einzigartig.

Tierschützer haben hier keine Chance, auch nicht angesichts des zu erwartenden Konsums. Solche ganze Schinken gehören in Spanien dazu, es gibt sie auch in jedem Supermarkt. Überhaupt ist Einkaufen für mich als Einzelperson oft etwas schwierig: die Verpackungen sind hier immer auf Großfamilien ausgelegt.

Meinen Campingplatz habe ich zufällig entdeckt im nahen Benicàsim - und lerne also unbeabsichtigt diesen Ort kennen: eine der ersten spanischen Sommerfrischen, vor der vorherigen Jahrhundertwende von Reichen aus Valencia entdeckt und schnell international bekannt geworden. Die Uferpromenade zieren die aus dieser Zeit stammenden Villen - und Bars und Geschäfte gibt es - mit einer Ausnahme in einer Villa, die im Stil einer Kirche gebaut ist - hier keine! Großartig!

Im Hotel Voramar aus dem Jahr 1930 traf und trifft sich, wer Geld hat und Ruhe sucht. In der Zeit der Spanischen Republik war das Hotel wie alle Villen enteignet, im Bürgerkrieg diente es den Republikanern als Lazarett, betrieben von einer Hilfsorganisation aus den USA; die USA unterstützten damals die Linken! Ernest Hemingway verbrachte wie andere Schriftsteller und Intellektuelle einige Zeit hier, um über den Bürgerkrieg zu schreiben.

In der Villa Elisa wurden mehrere internationale Filme gedreht.

Die Villa Victoria, 1911 gebaut, war unter den Republikanern Bibliothek und Kino.

Die Villa Amparo, ab 1880 errichtet im amerikanischen Landhausstil, war im Bürgerkrieg ebenfalls Krankenhaus - und Heimstatt für Hemingway und eine heftige Liebesaffäre mit einer spanischen Journalistin.

Benicàssim ist wirklich eine lohnende Entdeckung! Mein Reiseführer *, der es als nicht zu beachtende Ansammlung von Hochhäusern - die es natürlich auch gibt - beschreibt, hat diesmal sehr unrecht.
In Benicàssim starb der Diakon und Kapuziner Enrique von Almazora García Beltrán als Märtyrer. Die Rosenkranzandacht in der Kirche ist auch unter der Woche am Abend gut besucht.

Man könnte heulen: vor genau drei Jahren war ich in Nusaybin in der Türkei, einer friedlichen Stadt …

… und heute sieht es dort so aus (Quelle: https://twitter.com/aliatalan68/status/730827778 984185859). Erdoğan bombardiert sein eigenes Volk, seit vergangenen Donnerstag bombardiert das Militär die Stadt ununterbrochen.
Dagegen harmlos, aber eigentlich auch zum Heulen: der VfB Stuttgart ist erwartungsgemäß abgestiegen, die Kickers und VfB II ebenfalls. Für das aufwändig umgebaute Stadion muss jetzt die Stadt Stuttgart - also ich als Steuerzahler - allein aufkommen.

Sonntag, 15. Mai, bis Freitag, 20. Mai

Am Sonntag hieß es früh aufstehen: ich hatte eine längere Fahrt vor mir, ins Landesinnere. Hinter der Küste geht es hoch in die Berge, weit über 1000 Meter hoch. Das Wetter ist mäßig und hier oben ist es lausig kalt.
Schon in Aragón liegt das Bergdorf Cascante del Rio, in dem Vincentia Lopez y Vincuna geboren wurde; auch der Märtyrer Nicasius Sierra Ucar erblickte hier das Licht der Welt.
In der Kirche - hinter den dicken Mauern ist es noch kälter - findet in einem durch Glaswände abgetrennten kleinen Raum die Pfingstmesse statt: ganze zehn (alte) Leute nehmen teil, aber immerhin gibt es einen Priester, der am Vormittag zelebrieren kann. Hinweise auf die Heilige und den Seligen gib es keine.

Die Landschaft hier oben ist großartig, Heide, Wald, alles (noch) schön grün - nach der Sommerhitze wird das wohl anders sein.

Ein echtes Erlebnis ist Cuenca, steil auf Felsen gelegen. Von der ehemaligen Burg eröffnet sich dieser Ausblick ins Tal.

Durch die ehemalige Burg quält sich der Verkehr - die Stadt ist heute Ausflugsziel vieler Spanier und einiger Touristen.

Der Stadtpalast San José, im 17. Jahrhundert gebaut von einem Schüler des Malers Diego Velázquez, später Domizil der Schüler der Kathedralschule, ist heute ein Hotel; im Innern gibt es noch Reste des Vorgängerbaus aus der Maurenzeit.

Sehr schön gemacht: die Ruine einer alten Kapelle mit dem Denkmal eines einheimischen Philosophen.

Von der Altstadt durch ein tiefes Tal getrennt: das ehemalige Dominikanerkloster, heute Parador - staatliches Luxushotel.

Die große Kathedrale füllt mit ihrem Vorplatz die ganze Breite des Altstadt-Felsens aus. Im Innern begeistert die Mudéjar-Decke der Honda-Kapelle aus dem 16. Jahrhundert …

… und das Portal zum Kapitel-Saal, ebenfalls 16. Jahrhundert.

Eher trist: der Kreuzgang der Kathedrale. Als Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges starben in Cuenca der Bischof, ein Priester, zwei Augustiner, vier Trinitarier und sechs Redemptoristen. Ein Laie wurde hier geboren.

Auf dem Platz vor der Kathedrale - mit Blick zum Rathaus - genießen die Leute den Sonntag und die nun angenehme Wärme.

Das ehemalige Jesuitenkolleg aus dem 16. Jahrhundert ist heute: Parkhaus.

Für Pilger nach Santiago de Compostela gebaut wurde 1511 das Hospital Santiago, heute Krankenhaus.

Nahe dem Dorf Paracuellos de la Vega gab es auf dem Feld eine Marienerscheinung in Paracuellos de la Vega, woran heute diese größere und eine ältere Kapelle erinnern.

Ich fahre dann noch ins Dorf. Als ich in dem Ort, in dem am Sonntagnachmittag kein Mensch zu sehen ist, aus dem Auto steige, kommen zwei Kinder um die Ecke; als ich sie grüße, rennen sie wie von der Tarantel gestochen davon. Fremde sind gefährlich. Beim Abfahren sehe ich im Rückspiegel, wie sie wieder aus einer Hausecke hervorkommen und mir nachsehen. Neugier mach mutig. Soviel Provinzialität habe ich noch nicht einmal in Marokko erlebt.
Nach langer Fahrt - mich plagt zudem seit gestern Abend eine schmerzhafte Ohrenentzündung - erreiche ich den mitten in der sonst überaus eintönigen Mancha herrlich an Seen gelegenen Campingplatz.

In Fuenllana erinnert ein Denkmal an den Sohn des Ortes, Thomas von Villanova, aus dessen Geburtshaus später ein Augustinerkloster wurde. Das kann man besichtigen, ein Rentner wartet auf Gäste und erläutert ausführlichst - auf Spanisch natürlich - alles, was zu sehen ist. Man muss es nicht gesehen haben.

In der schon am Montagvormittag lebendigen Kleinstadt Valdepeñas starben acht Piaristen als Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges.

Auf einem Kreisverkehr der Stadt: Don Quijote, der Held der Mancha. Diese Mancha ist eine höchst eintönige Hochebene: kerzengerade Straßen über -zig Kilometer, kaum Hügel, riesige Entfernungen zwischen den Dörfern, wenig fruchtbare Böden mit vielen Steinen, sehr viel Weinbau - er wird als Billigware verramscht -, Oliven, einige Kornfelder. Neun Monate Winter - es ist auf 1000 m Höhe noch kühl - und drei Monate Hölle - wenn die Sonne freie Bahn hat, brennt sie schon jetzt. - schreibt der Reiseführer *.

In Granatula de Calatrava wurde die Märtyrerin Dolores Úrsula Caro Martín, eine Ordensfrau aus dem Institut der Töchter der Liebe des Vinzenz von Paul, geboren. Vor der Kirche erinnert das Denkmal an die Tradition des Olivenpressens …

… und daneben ein altes Tor an wohl ruhmreichere Zeiten. Dahinter gehen Menschen der spanischen Lieblingseschäftigung nach: Schwätzen. Reden, Hablar. Ständig, überall, lautstark.
Die Kirche ist wie alle hier eigentlich eine Dorfkirche, dennoch ein riesiger Bau: Demonstration von Macht. Selten sind sie geöffnet, innen gibt es wenig zu sehen - und schon gar nicht, was ich suche: Hinweise auf die Märtyrer -, aber die Außendarstellung ist enorm.
Wenn schon die Spanier vor Ort seltenst an diese Märtyrer erinnern, brauche auch ich darauf nicht allzuviel Wert zu legen und besuche deshalb deren Orte nur noch, wenn ich in der Nähe bin. Wenn man in den Gemeinden selbst, wo natürlich jeder andere Heilige oder Selige mit Stolz verehrt wird, darauf keinen Wert legt - wohl um die alten, oft noch immer bestehenden Gräben zwischen Rechten und Linken nicht zu vertiefen -, dann brauche auch ich mich nicht sehr anstrengen. Die Seligsprechungen dieser bislang 1540 Märtyrer war offenbar eben doch, was Kritiker moniert haben: Darstellung der Macht der Kirche und Wahlkampfhilfe für die konservative Franco-Nachfolgepartei PP. Vergessen wurde in der Kirche, dass die Faschisten ungleich viel mehr Menschen ermordeten. Auffallenderweise finden sich dazu aber in den Orten häufiger Gedenktafeln.

Mancha. Noch - und besonders Dank des Regens der letzten Tage - überall sehr grün.

Mächtig auch das Rathaus in Almodóvar del Campo, wo Johannes von Ávila und Johannes Baptist von der Empfängnis García Jijón geboren wurden.

Ein Museum zeigt dagegen eine Ausstellung der Quijotes, der Fantasten, der Mancha.

In Ciudad Real starben der Bischof und ein Priester als Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges, German von Jesus und seine Gefährten wurden hier gepeinigt. Hinter der Kathedrale geht es mit diesem Denkmal für den Musiker und Komponisten Javier Secolia eher heiter zu.

Unterwegs im Kreisverkehr: diese alte Dreschamschine in bestem Zustand.

In Fernán Caballero wurden am früheren Bahnhof - die alte Bahnlinie wurde durch Omnibusse ersetzt, jetzt braust der Zug auf der Schnellbahntrasse am Ort vorbei, die Trasse der alten Bahnlinie verschwand unter der neuen Autobahn - 15 Missionare des Unbefleckten Herzen der seligsten Jungfrau Mariä, des von Antonius Maria Claret y Clará gegründeten Ordens, ermordet.
Spanien hat mit 2665 km das längste Hochgeschwindigkeitsbahnnetz Europas und das zweitlängste der Welt nach China, seit 1992 ausgebaut und noch nie profitabel, aber der Ausbau geht weiter. In der 1. Klasse bekommt man je nach Tageszeit Frühstück, Aperitifo, Mittagessen, Merienda oder Abendessen und zuvor ein Begrüßungsgetränk, dann ein Getränk aus einer reichhaltigen Getränkekarte sowie Kaffee oder Tee am Platz serviert.
Ganz nett ist der Brunnen vor der Dorfkirche. Und der Platz heißt noch immer nach Franco Plaza Generalisimo.

In Malágon gründete Theresa von Ávila ein Kloster, dessen Gebäude erhalten sind und mit denen der Ort kräftig Werbung macht, wobei ein Denkmal - zur Erinnerung an die Ernennung der Heiligen zur Kirchenlehrerin 1970 errichtet - natürlich nicht fehlen darf. Die Mancha ist aber kein großes Touristenziel.

Natürlich wurde hier - wie weltweit und besonders in ganz Spanien - ihr 500. Geburtstag im vergangenen Jahr begangen …

… und in der Stadtmitte gibt es das theresianische Museum.

Im kleinen Ort Fuente el Fresno starben ein christlicher Schulbruder und 20 Franziskaner als Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges. An sie erinnert eine danach benannte kleine Straße auf dem Weg zum Friedhof.

Aus dem Kloster der Passionisten in Daimiel bei Ciudad Real starben German von Jesus und Gefährten als Märtyrer.

An sie und weitere Gefährten erinnert die Gedenktafel vor der Klosterkirche.

… und das Gedicht auf einem Gedenkstein.

Im nahen Manzanares starben weitere sechs Märtyrer des Klosters der Passionisten in Daimiel.

Die von außen wie fast immer riesige Kirche in Manzanares …

… zeigt sich im Innernen wie ebenfalls fast immer höchst bescheiden. Höhepunkt ist - wie ebenfalls praktisch überall - das beleuchtete Kitsch-Bild der Maria. Fast alle Kirchen hierzulande sind ihr geweiht, meist hat sie mehrere Altäre. Deutlich seltener kommt Jesus Christus vor und wenn, dann immer als Leidender oder Toter. Auferstanden scheint nur Maria zu sein und Mariä Himmelfahrt ist auch mit Abstand der verbreitetste Titel der Kirchen.
Klar: ein lebendiger Jesus Christus könnte an so etwas wie die Maßstäbe der Bergpredigt erinnern. Die aufwändigst herausgeputzten Marienstatuen aber stellen die Frau so vor, wie Mann sie wünscht: rein, aber persönliches Schmuckstück zur Zierde ihres Besitzers. Mit der Botschaft des Neuen Testaments hat das alles nichts zu tun.

Ein Genuss und Gottesgeschenk dagegen: die Seen an meinem Campingplatz

… bei der Rückkehr am Abend.
In der Nacht werden allerdings meine Ohrenschmerzen unerträglich. In meiner Medikamentenbox suche ich, doch ich finde nichts gegen Entzündungen - bis ich feststelle, dass die Malaria-Prophylaxe-Tabletten, die ich noch in Menge habe, helfen sollen. Und tatsächlich: die Schmerzen werden weniger und drei Tage später ist die Gesichtsschwellung so weit abgeklungen, dass ich wieder mit den Backenzähnen beißen kann.

In Munera zeigt sich die Kirche wie üblich als machtvoller Bau, aber - oh Wunder! - sie ist geöffnet und - noch erstaunlicher - erinnert an den Priester, der hier als Märtyrer starb mit einem Bild und zwei Gedenktafeln.

In der Kathedrale in Albacete wird Maria de los Llanos verehrt; der Fundort der Statue steht heute noch auf meinem Programm. Auch Rita von Cascia genießt besondere Verehrung, auch durch eine Bruderschaft, der ausschließlich Mütter angehören.

Die Kathedrale ist ausnahmsweise auch innen ansehnlich.

Gegenüber: das Stadtmuseum in einer alten Villa. Die Stadt hat sonst wenig schönes.

Aufsehen erregt aber die höllisch laute Trommlerinnen-Gruppe.

Im Franziskanerkloster in Albacete trat Andreas Hibernon in den Orden ein; nach dessen Auflösung Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Kloster im 20. wieder errichtet.
Doch: es ist ein Kloster, kein Feuerwehrmagazin!

In Minaya, wo das Geburtshaus von Alphons Pacheco erhalten ist - der Palast des damaligen Ortsherren - liegt die Kirche in der Mittagsruhe da.
Diese Siesta ist eine Angewohnheit, mit der ich mich schwer tue. Zwischen 13 Uhr und meist 17 Uhr liegt das Land still - völlig. Erst sitzen einige noch in den Gaststätten zum Essen, dann ist das Land wie ausgestorben, alles leer, alles still, alles zu. Ich pflege ja schon immer meinen Mittagsschlaf, aber man muss es ja nicht übertreiben … Die Temperaturen geben dafür auch Ende Mai noch keine Begründung ab, es ist auch in der Sonne noch immer sehr angenehm.

Der Eingang zum Palast zeigt sich auch heute wehrhaft. Es war Gewaltherrschaft, die die Landbesitzer praktizierten. Die Großgrundbesitzer-Strukturen wurden in der Zeit der Republik aufgebrochen, in der Zeit des Franco-Faschismus teilweise wieder hergestellt und haben heute diese Bedeutung nur deshalb nicht mehr, weil die Landwirtschaft ihre beherrschende Stellung im Wirtschaftssystem verloren hat.
In Deutschland, so lese ich, ist derweil der Milchpreis auf bis zu 18 Cent pro Liter für die Bauern gefallen! Zu meiner Zeit als Pfarrer auf dem Land vor 35 Jahren schwankte der Milchpreis zwischen 50 und 60 Pfennigen, unter 60 Pfg. galt damals als für kleine Bauern nicht mehr auskömmlich und politisch gewollt, um genau diese zur Aufgabe zu zwingen. Eine Generation später geht das Spiel auf viel niedrigerem Niveau genauso weiter: bäuerliche Landwirtschaft soll tot gemacht werden, damit Agrarfabriken aufblühen. Die Folgen für die Menschen, für die Pflege der Landschaft und die ökologischen Probleme - in vielen Gegenden mit Intensivlandwirtschaft ist die Nitratbelastung so hoch, dass das Grundwasser nicht mehr getrunken werden kann, das liegt an der Düngung, die in Wahrheit der Entsorgung der Gülle dient - spielen keine Rolle.
Am Abend lese ich: der Fachreferent von Agrarminister Christian Schmidt erklärte schon vor längerem, Hilfen für die Bauern hätten ja bloß die Erhaltung möglichst vieler Milchbetriebe zum Ziel, dadurch würde der Strukturwandel gehemmt und eine effiziente Ressourcenallokation, also Anhäufung von Landbesitz und Produktion, bleibe aus. Nein: das Elend der Bauern ist gewollt, sie sollen aufgeben. Denn: Billig-Arbeitskräfte braucht das Land, egal woher: ob einstige Bauern oder Flüchtlinge - Hauptsache, man muss ihnen keinen Midestlohn bezahlen.

In Belmonte finde ich überraschend eine - geöffnete! - Kapelle, mit der sich die ähnliche Geschichte einer Statue der Maria Gratia verbindet wie bei der in Paracuellos de la Vega. Und diese - sehr kleine - Statue ist wirklich schön.

Über dem Ort erhebt sich mein Ziel, das Kastell, in dem Johannes von Castillo geboren wurde. Der Bau wurde 1456 errichtet als Ersatz für ein Kastell aus dem Jahr 1323 von Juan Pacheco, dem Grafen von Villena, Nachfahre eines vom König begüterten Helden der Reconquista. Die Mauern ziehen sich den Berg hinab und umgaben das ganze Städtchen, die Tore sind dort erhalten. Auf den Baukran könnte ich allerdings verzichten.

Der Blick geht von der Burg auf dem schönen Berg weit ins Land.

Inzwischen kam ein Gewitter, dessen Kühle ich zu meiner Siesta genutzt habe, bevor der Weg in das wirklich wunderhübsche Städtchen mit den alten Toren führt.

Dieser Ort ist wirklich großartig, fast ein Museum. Hier das Herrenhaus der Familie los Bajos. Zur Zeit des Neubaus der Burg kamen viele Adlige in die Stadt, nicht zuletzt, weil der Burgherr nicht nur seine trutzige, und doch leicht verspielt wirkende Residenz baute, sondern einige Bildungseinrichtungen ansiedelte.

Auf dem Rathausplatz: Denkmal für den Augustiner Luis von León, der 1527 hier geboren und dann einer der größten Lyriker Spaniens, Humanist und - ohne Genehmigung natürlich - Übersetzer der Bibel ins Spanische wurde. Auch er zeigt auf: in diesem Städtchen blühte der Geist.

In der - klar: großen - Kirche finden sich Bilder des Märtyrers Pelayo José Granado Prieto, der hier wohl als Priester wirkte, und von vier Trinitariern aus dem örtlichen Kloster des Ordens, die aber noch nicht seliggesprochen sind. Der Trintarier Dominikus vom heiligsten Sakrament Iturrate Zubero starb hier zuvor eines natürlichen Todes.

Ich habe Glück: die Kirche ist offen, weil geputzt wird. Kirche putzen, das machen in Spanien immer ganze Heerscharen von Frauen. Gleichzeitig proben Schüler mit ihrem Lehrer eine Aufführung. Lautstärke und Befehlston des Lehrers würde auf einem deutschen Kasernenhof nicht mehr geduldet.

Gegenüber der Kirche: der Palast des Don Juan Manuel, eines Schriftstellers aus der Grafenfamilie, erbaut zusammen mit der ersten Burg 1324, ab 1501 Dominikanerinnenkloster, im Spanischen Unabhängigkeitskrieg 1811 zerstört, in den 1960-er Jahren aufgelöst, heute ein Hotel.

Noch eine Abendlektüre zum Heulen: Libyen wurde seit dem Bombardement und dem Tod Gaddafis - also der Demokratisierung - durch den Westen (ohne Deutschland, Außenminister Westerwelle sei Dank, Gott hab ihn selig!) großer Waffenlieferant für Konfliktherde wie Mali und das Bürgerkriegsland Syrien, stellte ein Bericht der UNO fest. Nun soll das geltende Waffenembargo aufgehoben werden, um die vom Westen eingesetzte Regierung der Nationalen Einheit - Regierungssitz: im Hafen, denn keiner akzeptiert sie -, zu unterstützen. Was diese Regierung braucht, sagt Außenminister Steinmeier sind eigene, loyale Sicherheitskräfte, er verspricht deutsche Unterstützung. Die deutschen Waffenexporteure können verdienen und die Dschihadisten in Syrien, Mali, Nigeria, Burundi und anderswo freuen sich über Nachschub.

In Santa María de Los Llanos gab es die Marienerscheinung, deren Gnadenbild ich heute Morgen in der Kathedrale in Albacete gesehen hatte. An einer nahen Kapelle starb der schon erwähnte Pelayo José Granado Prieto als Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges.

In dieser Kapelle kurz vor Socuéllamos wird der Bauernheilige Isidor von Madrid verehrt. Rundum hat sich ein ausgedehntes Ausflugszentrum entwickelt …

… und ein Plakat weist auf die gerade vergangene Feier in Socuéllamos hin.
Hier, in ländlicher Ruhe besonders auffallend: schon seit einigen Tagen fliegen viele Düsenjäger durch die Luft; das habe ich sonst noch nie in Spanien erlebt. Droht neues Bombardement in Libyen? Oder will das spanische Militär vier Wochen vor der neuen Wahl den Leuten klar machen: Wenn Ihr nicht richtig wählt - wir sind auch noch da, um das wieder in Ordnung zu bringen?

In Socuéllamos werden Reliquien von Marcellinus verehrt.

In der Kirche - offen wegen einer Trauerfeier - wird der noch ncht seliggesprochene, hier aber offenbar sehr verehrte Priester und Märtyrer Domingo Barnabas Huertas Molina verehrt.

Der Priester bei der Trauerfeier ist sichtlich lustlos bei der Sache. Vor der Kirche wartet der wie immer aufwändig geschmückte Leichenwagen.

Am Abend, zurück an den schönen Seen, gehe ich auf dem Campingplatz essen; es gibt hier ausschließlich Fleisch und Gemüse von Biolandwirten aus der Umgebung - das kann man also auch auf einem Campingplatz machen, wenn man denn nur will.
Ein Gast beschwert sich lautstark: er habe Salat bestellt, nun aber eine warme Suppe bekommen. Der Wirt erläutert: das heiße hier so und sei auf der Karte erläutert. Nein, das habe er noch nie erlebt. Er könne es gerne austauschen, wenn es der Gast wolle. Darum gehe es nicht, er habe schon viele Länder bereist, nirgendwo … Gerne werde er einen Salat nach Vorstellungen des Gastes als Ersatz auftischen. Das sei nicht das Problem, er sei jetzt fast achtzig Jahre alt, aber nie in all den Jahren …, so etwas könne man einfach nicht Salat nennen. Der Wirt meint, er könne den Namen nicht ändern, das heiße hier so, aber als Ersatz … Es gehe um die falsche Auszeichnung auf der Karte (sie ist nicht falsch, wenn man denn lesen kann), noch nie … Mindestens zehn Minuten beharrt der Gast - Holländer - auf seinem lautstarken Protest - schließlich muss man diesen Provinzlern sagen, was Sache ist!
Kurz darauf kommt ein anderer, der Morgen abreisen will und nun für zwei Nächte bezahlen - also rund 30€. Natürlich mit Karte: das geht aber nicht, weil im Gewitter die ohnehin miese Telefon-/Internetverbindung gar nicht funktioniert - es gibt hier im abgelegenen Tal offenbar keine terristrische Anbindung, stattdessen riesige Funkantennen auf dem Dach des Gebäudes. Der Besitzer meint, er könne die Zahlung annehmen, aber das Gerät drucke ohne Verbindung keine Quittung. Protest! Unglaublich! Keine Karte! Schrecklich!
Zuvor war ein deutsches Rentnerpaar angekommen und hatte sich direkt neben mich gestellt, obwohl Platz in Menge wäre. Naja. Ob es hier denn schon lange regnet, fragt die Frau - eine Frage zur Konversation, denn wer über Land gefahren war, sah Anfang und Ende der Gewitterwolken. Der Inhalt des Satzes ist also beliebig. Aber der Unterton: Was wagen es diese Spanier, uns diese eine Stunde Regen anzutun, schließlich haben wir ein ganzes Leben lang hart gearbeitet, und dann dies! Was glauben die eigentlich, uns zumuten zu können? Wir sind doch nicht wegen dem Land hier oder seinen Menschen, sondern wegen der SONNE. Und werden jetzt um sie betrogen!
Es ist oft nicht Segen, Touristenziel zu sein.

Und es ist letzlich dieselbe Geisteshaltung, die Papst Franziskus jetzt anprangerte, wie der Vatikan-Newsletter meldet: Seinen eigenen Reichtum auf der Ausbeutung anderer aufzubauen, ist Blutsaugertum und Todsünde. Das sagte Papst Franziskus an diesem Donnerstag in der Morgenmesse. Dabei nahm er unter anderem die in vielen Ländern verbreitete Unsitte aufs Korn, befristete Verträge anzubieten, die keinerlei Pensionsansprüche und soziale Sicherheit bieten. Das sei nichts anderes als eine Form moderner Sklaverei, so Franziskus.
Am Abend habe ich Muße, sitze Bier trinkend in einer Bar, genieße die Wärme des Sonnenuntergangs, den Blick auf den See und diese einfach göttliche Gegend - das Leben ist schön!
Und dann ist auch noch Vollmond - was will man mehr?

Die Tracks:
Benicàsim
Ossa de Montiel
Ciudad Real
Belmonte

* Thomas Schröder: Spanien. 5. Aufl., Michael Müller Verlag Erlangen 2006

geschrieben am 13., 16., 18., 19. und 20. Mai 2016


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