Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Himmelblau ist nicht nur die Küste

   J. Schäfer          

Freitag, 25. April

Ich will nach Cannes; nicht wegen der Filmfestspiele, die jetzt eh noch nicht sind, sondern wegen der vorgelagerten Lérins-Inseln, einem Ausgangspunkt des mönchischen Lebens in der abendländischen Kirche und einer Stätte des Geistes. Dazu fahre ich über die schmale und kurvenreiche Küstenstraße. Diese und die Schönheit der Landschaft erinnern an die Amalfi-Küste und braucht den Vergleich nicht zu scheuen - die Wohlhabenden wissen, warum sie sich die Côte d'Azur ausgesucht haben. Das Wetter ist wechselhaft, letzte Nacht gab es ein kurzes Gewitter, dennoch sind schon Leute am Strand und (in der Bildmitte erkennbar) eine Frau schwimmt sogar.


Und auch am Strand: das Ehrenmal für die zehn amerikanischen Soldaten der Air Force, die bei der Befreiung von der deutschen Flag abgeschossen wurden, wobei sechs von ihnen starben.

Im Hintergrund ist schon Cannes zu sehen.

Nach ein paar Kilometern das nächste, riesige, Denkmal zur Erinnerung an elf Franzosen der Marine, die als Vorauskommando der Befreiungsarmeen im August 1944 hier starben.

Kurz vor Cannes, in Napoule: eine große Burg und wieder die ersten Menschen am Strand

Es gibt offenbar sehr viele herrenlose Katzen, sie streunen an vielen Orten herum. Diese hier im Hafen bekommt aber sichtlich von jemandem Futter.

Von den Inseln bekomme ich dann doch nur den Blick von Weitem und dieses Foto zu sehen. Seit der staatliche Schiffsbetrieb eingestellt ist, fahren nur noch private und die zur vorderen, der größeren Insel, zur Insel St-Marguerite. Dort gibt es einen See, ein Restaurant, eine Burg und ein Observatorium - und wie man auf dem Bild erkennt im Sommer regen Segelbetrieb. Die hintere, kleinere, ist die Insel mit dem ehemaligen Kloster, das Honoratus von Arles gegründet hat und die nun nach ihm benannt ist.

Die Boote hier sind nicht von schlechten Eltern - aber das sind ja nur die der armen Menschen, die sich Cannes selbst nicht leisten können.

Auch dieser Dampfer vor Cannes macht Eindruck. Die Vorstellung, so Urlaub zu machen, ist für mich der blanke Horror.
In Cannes selbst tummelt sich alles, was gesehen werden will. Und es sind tatsächlich gerade die Filmfestspiele - wenn auch nur die des afrikanischen Films. Von hier gibt es die einzige verbliebene Schiffsverbindung nach St-Honorat, aber dazu bin ich zu spät dran. Und länger hier bleiben - auf keinen Fall.

Denn Cannes kann man toppen: ich will nach St-Tropez. Auch dort geht die Post ab; zwar gibt es noch idyllische Winkel ...

... aber nicht am Hafen!

Die Schiffchen sind beheimatet in London oder Luxemburg; hier kann man also sehen, wofür die Banker das Geld brauchen, um das sie noch immer und wieder zocken.

Vor gut 45 Jahren war ich schon einmal hier, mit den Pfadfindern. Damals kannte jeder kleine Deutsche den Ort wegen Gunter Sachs und Brigitte Bardot. Wir Heranwachsenden gingen über die Hafenpromenade und lästerten in schwäbischem Dialekt - vermeintlich unverstehbar - über den Jet-Set - bis uns jemand auf Deutsch Contra gab. Dann zogen wir uns verunsichert zurück an den Ortsrand - und fuhren stundenlang Box-Auto, das war damals hier ganz billig. Und wir hatten gelernt: der großen Welt der Reichen und Schönen sind wir nicht gewachsen

Wo so viel Reichtum ist, gibt es logischerweise auch entsprechende Armut. Bettler fallen mir in vielen Orten immer wieder auf.

Etwas außerhalb übernachte ich am Strand, genieße zuvor den Wind, die Wärme, den Sand - Urlaubsfeeling.

Samstag, 26. April

In Toulon ist Markt, der alle Köstlichkeiten des Mittelmeerraumes zu bieten hat. Die herrlichen Düfte und die frischen Farben machen Lust zum Schlemmen.

Toulon ist Marinestützpunkt; der Flugzeugträger der Stolz der französischen Marine. Die Ausflugsboote werben damit, dass man ihn aus der Nähe ansehen kann.

Die Häuser am Hafen - die Vorgängerbauten wurden im Krieg zerstört - erinnern an sozialistischen Plattenbau.

Ein strenger Kontrast zur pulsierenden geschäftigem gerüsteten Hafenstadt: das Kartäuserkloster Montrieux mitten im Wald, nur zu Fuß zu erreichen, deshalb ein schöner Spaziergang durch stille Landschaft mit glucksendem Bach und Vogelgezwitscher.

Am Abend bin ich in der kleinen Stadt Brignoles, wo der fromme Ludwig von Toulouse starb. Die Leute genießen den Samstag auf dem Hauptplatz.

Sonntag, 27. April

Für den Weißen Sonntag ist St-Maximin-la-Sainte-Baume, seit 1279 ein viel besuchter Wallfahrtsort, ein angemessenes Ziel: hier sei Maria Magdalena bestattet, dazu der mit ihr im steuerlosen Boot aus Israel gekommene Maximus von Aix. Das Reliquiar enthält ihren Kopf. Noch vor Beginn der Messe kann ich ausführlich fotografieren, das Ergebnis gibt es hier.

Den Gottesdienst erlebe ich in Aix-en-Provence in einer wieder ordentlich gefüllten Kirche.

Langsam regt sich auch auf den Plätzen das Leben, hier am Rathaus mit dem Uhrturm, der bürgerlichen Antwort auf die Macht der Kirche mit einer Jahreszeitenuhr von 1661.

Das Rathaus mit italienisch anmutender Barock-Fassade stammt von 1655 - 1670.

Durch die Gassen grüßt der Turm der Kathedrale. Die Kirchtürme sind hier in der Regel nicht sehr hoch, teilweise sogar gestutzt worden wegen des Mistrals; der bläst auch heute kräftig - im Radio ist von 80 km/h die Rede - und recht frisch.

Der ehemalige Palast des Erzbischofs ist riesig; im Innenhof gibt es nun Opernaufführungen, die sich mit Salzburg und Bayreuth messen lassen, im 1905 säkularisierten Gebäude die Ausstellung der Wandteppiche aus dem Besitz des Erzbischofs.

Direkt gegenüber der um 1650 erbaute Palast des Fürsten Karl von Grimaldi-Régusse mit Fassade von 1757 - auch nicht von schlechten Eltern. Dabei hatte ich mit Monaco ja absichtlich erspart ...

Touristen sind überall, hier auf dem Cours Mirabeau; nur ich bin ja keiner ... Schon Émile Zola und Paul Cézanne trafen sich hier im Café. Den Cézanne-Rundgang zu den Stätten des berühmtesten Sohnes der Stadt spare ich mir; seine Kunstwerke hat die Heimatstadt lange verschmäht, deshalb gibt es hier keine - im Unterschied zur Stuttgarter Staatsgalerie.

Ein Tipp im Reiseführer empfiehlt mir die Fahrt zu einer hoch im Berg des Lubéron gelegenen Kapelle; 26% Steigung werden da angekündigt, da will ich 'mal meine Kiste testen; es sind dann aber nur harmlose 21%. An der einsamen Kapelle versteckten sich im Krieg 62 Leute der Résistance, bis sie 1944 verraten und dann hingerichtet wurden.

Die Anna geweihte Kapelle aus dem 11. Jahrhundert

Direkt an der Kapelle bekommt das Schicksal der 62 auch einen konkreten Namen, die Erinnerung wird offenbar gepflegt.

Rund um die Kapelle wohnten Menschen in Höhlen mit kleinen Vorbauten.

Der Blick von hier oben geht bis in die Alpen ...

... ans Mittelmeer und nach Marseille (ganz rechts).

Ein typisch an den Berg gebautes Städtchen mit thronendem Schloss, aus dem der Heilige Elzearius von Sabran stammt.
Am Abend übernachte ich an einer Autobahn-Raststätte nahe Orange - und die hat doch tatsächlich freien Internet-Zugang! So einen in Frankreich zu finden, ist absolute Glücksache. Auch die Raststätten sind eher eine triste Angelegenheit: in der Regel ab 22 Uhr geschlossen - man ist dann alleine mit wenigen LKWs - dafür morgens schon um 6 Uhr wieder in Betrieb. Ganz gegen die Vorurteile: die Franzosen sind ein arbeitsames Völkchen.

Montag, 28. April

In Orange besuche ich zuerst die Kathedrale, Gedenkstätte auch für die 32 Märtyrerinnen von Orange, dann aber natürlich auch das römische Amphitheater, das einzige mit komplett erhaltener - riesiger - Szenenwand, 103 Meter lang und 36 Meter hoch.

Von innen gesehen grüßt Kaiser Augustus.

Die Statue wurde gut erhalten gefunden, nur der Kopf ist restauriert.

Im Museum gibt es eine schöne Sphinx, etwa 100 entstanden ...

... und eine Rarität: der in Stein gemeißelte Katasterplan der Gegend um Orange im Maßstab 1 : 5000, der einzige bekannte solche Plan. Er verzeichnete die Besitzverhältnisse der Grundstücke in einem Gebiet von 850 km².

Dienstag, 29. April

Ich besuche das ehemalige Kartäuserkloster in Villeneuve-lès-Avignon, der der Stadt der Päpste auf der anderen Rhône-Seite gegenüberliegenden Stadt, in der damals viele Kardinäle ihre Residenz hatten. Einer von ihnen schenkte nach seiner Wahl zum Papst als Innozenz VI. seinen Besitz dem Orden, daraus entwickelte sich die größte Kartause Frankreichs, blühend bis zur Französischen Revolution, heute staatliches Denkmal und Zentrum für die Förderung des dramatischen Schrifttums in Frankreich. Der Blick geht aus der Kirche, deren Chorraum zerstört wurde, hinauf zum ehemaligen Augustinerkloster, das zur Festung ausgebaut wurde.

der kleine Kreuzgang

Luftbild der Kartause Tal der Segnung in Villeneuve-lès-Avignon, die 40 Zellen umfasste.

Nach der Französischen Revolution blieben nur in einer Kapelle die Fresken teilweise erhalten; sie zeigen Szenen aus dem Leben Johannes' des Täufers.

In der ehemaligen Kirche ist das Grab des Stifters der Kartause, Papst Innozenz VI., das in der Revolution ausgelagert war, seit 1959 wieder zu sehen.

Im großen Kreuzgang ist der zentrale Brunnen; dahinter sieht man zwei der Häuschen mit Kamin für je einen Mönch.

Dass es bei aller Askese und Kontemplation nicht bescheiden zuging, zeigt das Eingangsportal von 1649.

Mittwoch, 30. April und Donnerstag, 1. Mai

Für mich wird es Zeit, wieder eine Arbeitseinheit einzulegen: auf dem kommunalen Campingplatz des Ortes. Von dort blickt man auf die mächtige Festung, die Frankreich 1291 in Villeneuve-lès-Avignon zum Schutz vor den Deutschen baute - die andere Seite der Rhône mit Avignon gehörte zum heiligen Römischen Reich.
In praktisch jedem noch so kleinen Ort gibt es einen Campingplatz, sehr viele in kommunaler Trägerschaft und alle sehr ordentlich. Nur auf diesem ist leider das Internet derzeit defekt.

Es ist wunderschön hier, grün, ruhig, und fast nichts los, nur wenige deutsche Rentnerpaare, die sich von ihrer Lebensversicherung oder Vorruhestands-Abfindung ein Wohnmobil geleistet haben und wie ich nun Kultur und die sehr angenehmen Temperaturen genießen.
Spanien habe ich schon fast abgeschrieben: ich werde mich nun von hier weiter nach Westen wenden und dann am Atlantik entscheiden: entweder etwas weiter nördlich in Frankreich bleiben oder etwas Richtung Süden nach Spanien fahren. Aber ein bisschen spanisch muss am Abend doch sein: ich koche Paella - gab's bei Lidl hier in der Dose für lau - und war gar nicht so schlecht, reichte sogar gut für zwei Tage.

Die Tracks - aus technischen Gründen unvollständig:
St-Tropez
St-Maxime
Aix
Avignon
Villeneuve

geschrieben am 1. Mai 2014


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