Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Der Jakobusweg ist lang

   J. Schäfer          

Samstag, 7. Juni

Heute ist es eine normale Brücke; einst aber war der Fluss Ebro für Jakobspilger ein großes Hindernis; Dominikus de la Calzada und Johannes von Ortega bauten deshalb in Logroño die erste Brücke.


auch ein Stadtbewohner

Der Stadtheilige von Logroño ist Barnabas, deshalb ist der 11. Juni der eigentliche Festtag, aber man kann ja auch schon vorher feiern: in mittelalterlichen Kostümen, denn Barnabas' Patronat geht darauf zurück, dass am 11. Juni 1521 die mehr als sechswöchige Belagerung durch die Franzosen mit deren Rückzug endete; beim großen Stadtfest wird dann Fisch verteilt, weil die aus dem Ebro geangelten Fische der Bevölkerung das Überleben ermöglichten.

In der ganzen Altstadt verteilt sich mittelalterliches, alles sehr nett gemacht, auch für Kinder.

Auch der Platz vor der Kathedrale erlebt Vorführungen, Kinderspiele und natürlich Verkaufsstände ...

... und immer noch wie im Mittelalter: Jakobspilger vor dem Portal der Kathedrale (nur Fahrräder hatten die damals nicht).

In der Kathedrale: das Abbild der Maria von Valvanera; ich werde Dank glücklicher Fügung noch das Original sehen ...

Nach einem wenig produktiven Nachmittag auf dem lauten Campingplatz gehe ich abends noch einmal zum Stadtfest; viele Leute, gute Stimmung, aber letztlich auch nicht anders als bei einem ähnlichen Fest bei uns. Auffällig: viele Bands spielen, u. a. auf einer Bühne solche der städtischen Rockschule - das gibt's hier! Und vor der Kathedrale wird jetzt die Geschichte nachgespielt: die Franzosen greifen an, der Anführer der Verteidiger fragt, ob man sich ergeben solle, der ganze Platz brüllt No - Geschichte zum Anfassen. Aber die besondere spanische Festfreude spüre ich nicht - ist auch dies der Krise geschuldet?

So oder so: über dem Portal der Marienkirche greift tagein tagaus Jakobus der Ältere heldenhaft und mit gezücktem Schwert ein in der Schlacht gegen die Mauren.
Dies war die Kirche, die Josef-Maria Escrivá de Balaguer y Albás in seiner Jugend fast täglich besuchte, er wohnte um die Ecke; Jakobus scheint ihm zum Vorbild geworden zu sein.

Pfingstsonntag, 8. Juni

Schon am nächsten Morgen bin ich dort, wo dies angeblich geschah: bei Clavijo. Diese Burg auf eindrücklichem Felsen - sie erinnert an Montségur, Geschichte wiederholt sich - war Stützpunkt der Mauren; in der Schlacht gegen die Muslimen wurde 844 hier gewonnen, der Legende nach, weil Jakobus heldenhaft auf weißem Schimmel voranstürmend eingriff.

Wieder eine lohnende Entdeckung ist das Kloster in Nájera, wo Johannes von Ortega wieder eine Brücke für Jakobspilger baute und das wenig vorher von König García gegründet wurde als Stützpunkt im Kampf gegen die Mauren.

Es wurde auch zur Grablege der Könige von Navarra.

Der Hochaltar von 1692 mit Maria. Die Legende erzählt, König García habe diese Marienfigur 1044 bei der Jagd in einer Höhle gefunden und als gutes Omen für den Kampf gegen die Mauren gewertet, deshalb das Kloster gegründet.

Detail

Und natürlich auch hier: Jakobus

An der ursprünglich von Johannes gebauten Brücke sitzen inzwischen Jakobspilger im Schatten.

Eine wunderschöne Fahrt durch bewaldete Berge, auf gewundener Straße hoch hinauf, so dass noch Schneereste in der Nähe liegen, führt zum Kloster Valvanera. Als ich ankomme, ist dort großer Auftrieb: eine Hochzeit mit vielen Gästen, am Pfingstsonntag! So erlebe ich meinen Pfingstgottesdienst als Trauung.

Vor der Kirche wird einstweilen der anschließende Sektausschank vorbereitet.

In der Kirche zieht sich die Feier. Das Ja-Wort ist längst gesprochen, die Predigt des Priesters ausführlich, die EucharistieDie Eucharistie - von griechisch „ευχαριστειν, Dank sagen” - vergegenwärtigt das heilvolle Sterben Jesu Christi. Die Römisch-Katholische, die Orthodoxe und die Anglikanische Kirche nennen diese Mahlfeier im Anschluss an 1. Korintherbrief 11, 24 Eucharistie, die Evangelischen Kirchen sprechen von „Abendmahl” im Anschluss an Markusevangelium 14, 17 und 1. Korintherbrief 11, 23.feier dauert, obwohl nur wenige Ältere kommunizieren - bei den vielen Jüngeren ist offensichtlich der Rock zu kurz, der Ausschnitt zu tief und wohl auch der Lebenswandel ansonsten nicht angemessen ... Natürlich singt eine Solo-Sängerin und ein Gospel-Chor - alles, wie üblich. Nachdem dann alles gesagt ist, aber eben noch nicht von jedem, kommt noch ein Freund des Paares ausführlich zu Wort; das ist mir bei Trauungen neu, bei Bestattungen kennt man das als Nachruf. Auch er bekommt reichlich Beifall.

Dann endlich ist es soweit: ich darf das Gnadenbild der Maria von Valvanera aus nächster Nähe betrachten.

Die Gelegenheit dazu gibts nur nach einer Messe, also hat sich das Warten gelohnt und ich hatte Glück - Pfingsten eben.

Auch ohne Hoch-Zeit sind die Berge hier wunderbar.

Das nächste Ziel ist schon wieder ein Kloster - oder eigentlich deren zwei. Das eine, neuere, großartige, von Kaiser Karl V. geförderte Kloster Yuso liegt im Tal.

Das andere ist das ursprüngliche, auf Aemilianus von Cogolla zurückgehende Kloster Suso oben am Berg.

Im nahen Berceo, Aemilianus' Geburtsort, ist auch die Heimat von Gonzales, der Mönch im nahen Kloster wurde, die ersten Gedichte in kastilischer Sprache schrieb und deshalb heute wieder geehrt wird.

In Cañas ist man stolz auf den hier geborenen Dominikus von Silos und verehrt gleichzeitig Maria von Valvanera.

Ein Nachtrag, weil ich erst zuhause festgestellt habe, was ich da an der Kirche in Cañas fotografierte: eine Gedenktafel für den Begründer der spanischen Falange-Bewegung - der Faschisten, die Spanien unter General Franco in den Bürgerkrieg geführt und dann fast 40 Jahre lang diktatorisch beherrscht haben.

José Antonio Primo de Rivera war der Sohn des Generals und Diktators Miguel Primo de Rivera, der Spanien von 1923 bis 1930 regierte. 1932 beteiligte er sich am gescheiterten Militärputsch gegen die Republik, 1933 gründete er deshalb die faschistische Falange, die bei den Wahlen 1936 nur 0,7 % der Stimmen erhielt; nach der Beteiligung an einem Mordversuch wurde seine Partei verboten, weshalb sie sich im Juli 1936 an der Militärrevolte gegen die Zweite Spanische Republik beteiligte; deshalb wurde er im November 1936 zum Tod verurteilt und hingerichtet. General Franco übernahm die Führung der Bewegung und machte Primo de Rivera zur Symbolfigur, ähnlich der von Horst Wessel im Dritten Reich unter Hitler.

In Bañares, wo Formerius verehrt wird, steht eine riesige neue Kirche. Schöner ist die alte aus dem 12. Jarhhundert.

Pfingstmontag, 9. Juni

Eine wichtige Station auf dem Jakobsweg ist die Kathedrale in Santo Domingo de la Calzada, der Stadt, die auf Dominikus de la Calzada zurückgeht und nach ihm benannt ist; die Kathedrale wurde im 12. bis 14. Jahrhundert gebaut.

Hier ist selbst die Weihwasserschale in Muschelform gehalten.

Die mittelalterliche, in großen Teilen erhaltene Stadtmauer wird von Störchen dankbar genutzt.

Die Jakobspilger sind jetzt scharenweise anzutreffen.

In Redecilla, dem westlichsten Ort der von Dominikus gebauten Straße, gibt es diesen Taufstein aus dem 12. Jahrhundert.

Abseits des Jakobsweges liegt der kleine Ort San Vicente del Valle, in dem Casilda zur Christin bekehrt wurde.

Wieder auf dem Jakobsweg, in Dominikus' Geburtsort Viloria de Rioja sucht ein Pilger Erfrischung in der Mittagshitze.
Ich verabschiede mich nun vom Jakonsweg und fahre gen Norden.

Nahe Cerezo besuche ich eine ehemalige Einsiedelei, in der Victor von Cerezo begraben ist. Davon ist nicht viel übrig, aber eine Gruppe von Leuten bereitet hier eine Grillparty vor und kommt sogleich mit der Weinflasche, mich einzuladen. Ich lehne ab - Trinken und Fahren gehe nicht zusammen; selbst die Frau, die leidlich Englisch spricht, versteht mich nicht. Nach mehreren Anläufen kapieren sie, was ich meine und quittieren es: mit Unverständnis. Es tut mir ja auch Leid, besten La Rioja abgelehnt zu haben.
Man sagt, die hohen Unfallzahlen in Spanien liegen zu erheblichem Teil an alkoholisiertem Fahren, tatsächlich habe ich schon mehrfach tagsüber Schlangenlinien fahrende Autos erlebt.
Die Frage, die mich schon den ganzen Tag umtreibt und die die Reiseführer nicht beantworten, findet nun doch ihre Auflösung: Pfingstmontag ist hier Feiertag, auch wenn LKWs fahren und viele Geschäfte geöffnet sind.

Dienstag, 10. Juni und Mittwoch, 11. Juni

In Vitoria-Gasteiz, der Hauptstadt der Provinz und des ganzen Baskenlandes, verbringe ich nun zwei Tage arbeitend auf dem Campingplatz. Am Morgen nach der ersten Nacht gehe ich kurz einkaufen und stelle mein Laptop derweil - um nicht alle Anwendungen herunterfahren zu müssen - auf meinen Campingtisch. Nach einer Stunde komme ich zurück und sehe: der Tisch ist leer! Hier wohnen viele Leute - offenbar dauerhaft - in Mobilhomes; ich gehe zum nächsten Nachbarn, der gerade sein Fahrrad repariert: ob er etwas gesehen habe? Natürlich kann er keinerlei Fremdsprache und versteht mich überhaupt nicht und gesehen hat er sowieso nichts - also doch. Ich gehe zum Platzbesitzer, er holt die Tochter, die kann Englisch - a little -, immerhin soviel, dass sie ihrem Vater mein Problem erklärt. Das lässt ihn kalt. Ich sage, er solle die Polizei rufen, die Tochter übersetzt, er zögert, ich insistiere, also greift er zum Handy. Viel Spanisch, mehrfach Policía, dann die Aufforderung, ich solle meinen Ausweis holen. Für ihn??? Er kennt ihn von der Anmeldung. Aber natürlich gehe ich - und was kommt mir entgegen: der andere Mobilhome-Nachbar, mein Laptop unterm Arm. Er erklärt mit vielen mir unbekannten Wörtern, dass er nur darauf aufgepasst habe. Und bringt als Entschuldigung fünf Minuten später ein Flasche Wein. Die hätte ich diesmal genommen, hätte sie etwas sauberer ausgesehen.
Am Nachmittag und am nächsten Tag wird mir klar: die sprechen untereinander Russisch. Die Männer sind offenbar ohne Arbeit, die Frauen gehen abends sehr adrett gekleidet Richtung Stadt.

Zur Erholung von dem Schreck will ich abends essen gehen und fahre in die Stadt, um ein Restaurante zu suchen. Ich finde keines - eines, das sich Bar - Restaurante nennt, hat nur Tapas. Die Leute hier gehen nicht essen, sie sitzen nur in großer Zahl bei Kaffee (auch abends), Bier oder Wein. Schließlich beauftrage ich mein Navi und lande gleich einen Volltreffer: sehr gut, perfekter Service, preiswert; ich bin der einzige Gast.

Die Tracks:
Banares
Vitoria-Gasteiz

geschrieben am 13. und 14. Juni 2014


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