Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons
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Zu Orten des Urchristentums

   J. Schä­fer          

Mon­tag, 1. Juli

Ich bre­che auf, um Ko­lossä zu fin­den. Ich weiß ziem­lich genau, wo es lie­gen muss - viel ist nicht übrig, das weiß ich - aber ich finde es nicht. Hin­ter­her stel­le ich fest, dass ich fast 80 km über­flüs­sig in der Ge­gend her­um­ge­fah­ren bin: weil tür­ki­sche Haupt­stra­ßen v. a. in den Zu­fahr­ten der Städ­te in der Mitte einen un­über­wind­ba­ren Grün­strei­fen haben; weil ich nir­gend­wo einen Weg­wei­ser finde; weil ich die Mar­mor­stein­brü­che von wei­tem für Aus­gra­bun­gen halte; weil ich an der Stel­le vor­bei­fah­re ohne es zu mer­ken, das Schild steht nur in der Ge­gen­rich­tung; weil mein Navi die Ori­en­tie­rung ver­liert; kurz­um: ich schwit­ze und är­ge­re mich. Als ich schon auf­ge­ge­ben habe, ent­de­cke ich doch noch einen klei­nen Weg­wei­ser und dann diese Stei­ne - dafür muss ich durch einen Bach waten - wahr­schein­lich Ab­was­ser von den Sägen der Mar­mor­fa­bri­ken.


Ko­lossä war eine be­deu­ten­de Stadt, die sechst­grö­ß­te in Phry­gi­en, bis sie zur Zeit von Kai­ser Nero durch ein Erd­be­ben un­ter­ging; dar­aus lei­ten evan­ge­li­ka­le Theo­lo­gen die Echt­heit des Ko­los­ser-Brie­fes ab, weil er also vor 60 / 61 ent­stan­den sein müss­te; tat­säch­lich grün­de­ten die Über­le­ben­den die neue Stadt Chonä an der Stel­le des heu­ti­gen Honaz, Phi­le­mon wurde der Über­lie­fe­rung nach dort Bi­schof von Ko­lossä, der Fried­hof dort - aus­nahms­wei­se mit­ten in der Stadt - heißt bis heute Ko­lossä und die Mo­schee steht wohl an der Stel­le, an der frü­her in Ko­lossä eine Mi­cha­el ge­weih­te Kir­che stand.

Sehr viel ein­fa­cher zu fin­den ist Lao­di­cea, wie­der zu­rück, kurz vor Pa­muk­ka­le: das ist über­all groß an­ge­schrie­ben. Dort ist alles neu, fin­den jetzt Re­stau­rie­run­gen in gro­ßem Stil statt; es soll wohl neben den Kalk-Sin­ter­te­ras­sen zur zwei­ten Tou­ris­ten-At­trak­ti­on aus­ge­baut wer­den. Es war schon im 4. Jahr­tau­send v. Chr. be­sie­delt und wurde nach meh­re­ren Erd­be­ben - das Beben 60 / 61 zer­stör­te auch Lao­di­cea - um 605 end­gül­tig auf­ge­ge­ben, die Be­woh­ner grün­de­ten Deniz­li an der Stel­le des heu­ti­gen Kaleiçi-Ba­zars.
Der Wohl­stand von Lao­di­cea war dem Platz an einem Ver­kehrs­kno­ten­punkt und dem Tex­til­han­del zu ver­dan­ken; wegen der dar­aus be­grün­de­ten Über­heb­lich­keit wird Lao­di­cea als ein­zi­ge der sie­ben Städ­te, an die die Jo­han­nes-Of­fen­ba­rung ihre Send­schrei­ben rich­te­te, ge­ta­delt.
Das Bild zeigt die Sy­ri­sche, die nach Osten füh­ren­de Stra­ße. Man be­ach­te die für die Aus­gra­bun­gen be­nutz­ten Kran­wa­gen im Hin­ter­grund!

Lao­di­cea wurde den­noch eine wich­ti­ge Stadt des jun­gen Chris­ten­tums. Eu­se­bi­us und Ana­to­li­us waren hier im 3. Jahr­hun­dert Bi­schö­fe. Schon 1833 gab es erste Aus­gra­bun­gen, die 1961 wie­der auf­ge­nom­men und seit 2003 in­ten­si­viert wur­den.
Im Bild einer der Tem­pel, er­baut im zwei­ten Jahr­hun­dert, er­neu­ert durch den Chris­ten­ver­fol­ger Dio­kle­ti­an um 300. Alles echte, alte Stei­ne !

Lao­di­cea hatte das grö­ß­te Sta­di­on in Klein­asi­en, 4 Ago­ras, 2 Thea­ter, 4 Ba­de­an­stal­ten, 4 Ne­kro­po­len, meh­re­re Pracht­stra­ßen.

die spär­li­chen Reste der nörd­li­chen Ba­si­li­ka, einer von zwei­en

Am Nach­mit­tag kehre ich nach Pa­muk­ka­le zu­rück, nun doch auf den emp­foh­le­nen Cam­ping­platz di­rekt ge­gen­über den Kalk-Sin­ter­te­ras­sen. Er ist ganz ok, wenn auch mit­ten im Zen­trum des Ge­sche­hens. Von früh­mor­gens bis spät­abends schleppt sich die Ko­lon­ne der mit Om­ni­bus­sen Her­an­ge­schaff­ten durch die Se­hens­wür­dig­keit. Und abends ist das Ganze be­leuch­tet - far­big: schööööön!

Unterhalb der Terrassen ist ein kleiner Park angelegt - ohne Eintritt, man glaubt es kaum.
Zur Beleuchtung: in einem Reisebericht einer Motorradfahrerin las ich, die türkischen Autofahrer würden wohl in der Fahrschule das Blinken nicht lernen, was höchst gefährlich! sei. Das ist falsch: Türken lieben Licht und ganz besonders, wenn es blinkt. Man blinkt also beim Fahren häufig - nur das hat wenig zu bedeuten: da will man in 2 km nach links abbiegen, setzt also den Blinker links, wechselt auf die linke Spur und verlangsamt das Tempo; aber nach 1 km taucht am rechten Straßenrand ein Bekannter auf, also muss man schnell rechts ran, dort stehenbleiben, reden, womöglich den Freund ein Stück mitnehmen, jetzt also wieder 2 km weiter und nach rechts ins Dorf des Freundes abbiegen; während der ganzen Prozedur blinkt der Blinker links, er hatte ja keinen Grund zum Zurückschnappen.

Dienstag, 2. Juli / Mittwoch, 3. Juli

Oberhalb der Kalk-Sinterterassen lag das antike Hierapolis, vor dessen Ruinen heute der große Parkplatz für die vielen Omnibusse ist. Die Stadt wurde im 3. Jahrhundert v.Chr. (neu) gegründet und verdankte ihren Reichtum schon damals den Terassen.
Das heutige Pamukkale, in meinem 24 Jahre alten Reiseführer noch als Dallas par excellence beschrieben, ist heute nicht mehr von übermäßigem Wohlstand geprägt: die Häuser oft eher schäbig, die Hotels und Gaststätten meist leer, ebenso wie der Campingplatz, auf dem ich - wie fast immer - alleine bin. Auch das Textil-outlet glänzt mit leeren Räumen und eingeschlagenen Fenstern, stattdessen gibt es viele neue an der Zufahrtstraße zum Ort. Heute beherrscht der Tagestourismus das Geschäft: die Busse karren die Menschen in zwei Stunden aus Antalya, Fethiye oder Bodrum auf den oberen Parkplatz, bis in den Ort herunter kommen nur noch wenige.

Hierapolis war im Urchristentum eine wichtige Stadt, die Rekonstruktion zeigt ihre Ausmaße. Philippus der Evangelist - wirkte hier mit seinen Töchtern, die als Jungfrauen lebten - also wohl nicht Philippus der Apostel. Der Apostolische Vater Papias von Hierapolis lebte hier um 100, Apollinaris Claudius war hier vor 180, Abericus Marcellus vor 200 Bischof. Ein schreckliches Erdbeben im Jahr 17 zerstörte auch hier das meiste, danach wurde die Stadt wieder aufgebaut, bis sie 1334 durch ein Erdbeben vollkommen zerstört wurde.

Mein Kaffeevorrat war aufgebraucht, in einem Dorf hatte ich am Montag neuen gekauft. Den Kaffee hatte ich dort fast nicht gefunden: Tee in Hülle und Fülle, aber kein Kaffee; der steht direkt neben der Kasse, eine Sorte, in 125-Gramm-Päckchen - da fällt wenigstens die Auswahl nicht schwer. Nun habe ich damit Kaffee gekocht: im Pulver ist schon Zucker drin, igitt!
Der Campingplatz lädt nicht unbedingt zum Verweilen, ist - mitten im Ort gelegen - v. a. abends eher laut, mit Musik sollen die (wenigen) verbliebenen Touristen gelockt werden; immerhin ist es meist keine türkische. Dennoch bleibe ich noch, weil die alte Indianerweisheit doch stimmt: Wenn das Pferd zu schnell war, braucht die Seele Zeit, hinterher zu kommen. Ich bin jetzt genau 8 Wochen unterwegs und insgesamt genau 12.500 km gefahren - im Durchschnitt also 223 km jeden Tag - das ist zuviel!

Donnerstag, 4. Juli

Das größte und wie meist aufgrund seiner geschützten Lage an einem Hang besterhaltene Bauwerk der Ruinenstätte ist das Amphitheater. Das von Hierapolis wurde im 1. Jahrhundert v. Chr. gebaut, beim Erdbeben 60 / 61 zerstört und dann in Jahrzehnten wieder aufgebaut mit einer Breite von fast 100 Metern und 50 Sitzreihen.

Im 4. Jahrhundert wurde der Orchestergraben zu einem Bassin ausgebaut, um Seeschlachten darstellen zu können. Da 90 % der Steine erhalten sind, wird derzeit der Prospekt wieder aufgebaut.

So sah das Theater noch 1955 aus.

Hoch über der Stadt liegt das Martyrion des in Hierapolis gestorbenen Philippus dem Evangelisten - nicht, wie oft behauptet, das von Philippus dem Apostel. Am Rande des Martyriums stand diese dreischiffige Basilika aus dem 5. Jahrhundert mit (links) dem Grab von Philippus.

Das Grab von Philippus. Da Philippus hier mit seinen gerühmten Töchtern lebte, handelt es sich um den Evangelisten (Apostelgeschichte 21, 8f), nicht um den Apostel.

Das eigentliche Martyrion, ein achteckiges Bauwerk, umgeben von 32 Räumen, die als Pilgerunterkunft dienten, erbaut im 5. Jahrhundert.

Luftbild des Martyrions mit den Pilgerunterkünften

Zwischen den Ruinen blüht die Natur.

Am Fuß des Hügels überquerte der Pilgerweg zum Martyrion eine Brücke, die derzeit rekonstruiert wird. Dahinter stand ein ebenfalls achteckiges Gebäude, wohl eine Taufkapelle; von hier führte die Treppe nach oben zum Heiligtum.

Von der Stadt führte ein Weg hoch zur Brücke, der sich hier frisch restauriert zeigt ...

... und hier im vorherigen Zustand, die Arbeiten sind im Gang.

Inmitten der Stadt, unweit der Agora, stand die Kathedrale aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts.

Das Nymphäum, das Brunnenhaus, des Triton mit 60 Meter langer Säulenfassade

Die Latrine, die Toilettenanlage, am Nordtor der Stadt

ohne Worte

Vor dem Nordtor lag die Nekropolis. Dieses Grabmal stammt aus dem 1. Jahrhundert.

Ebenfalls vor dem Nordtor stand das Badhaus aus dem 3. Jahrhundert; vor dem Betreten der Stadt musste man sich reinigen. Im 6. Jahrhundert wurde eine Apsis angebaut und die Basilika zu einer Kirche umgewandelt.

Uch gegenüber, wo schon die Kalk-Sinterterassen beginnen, sind Gräber, nun vom Kalk umgeben.

Abgesehen vom Amphitheater sind die Ruinen ziemlich still gelegen, nur wenige Besucher kommen so weit. Wieder zurück nahe des Eingangs aber steppt der Bär: man darf die Terrassen auf einem Weg begehen und in einem der Teiche auch baden. Es sind wieder vorwiegend russische Tagestouristen, die das genießen.

Ich suche den Ausgang - der ist nicht angeschrieben, wohl damit man sich - so wie ich - in das zentrale Handelszentrum verirrt. Hier kann man (fast) alles kaufen, essen und trinken - und auch baden: für 13 € Eintritt ...

... dafür aber auch in chemich analist antik Bad - das ist sicher weltweit einmalig. Der französische Übersetzer war besser, den russischen kann ich nicht beurteilen.

Der Weg zum Ausgang führt mich nocheinmal den auf den Berg hinter dem Amphitheater, vorbei an diesem Quellenhaus. Hierapolis lohnt den Besuch - auch ohne die Kalk-Sinterterassen - trotz der zunehmenden Hitze schon am Morgen.

Ich komme zum Kaleiçi-Bazar im historischen Zentrum von Denizli, das an dieser Stelle Anfang des 7. Jahrhunderts als Nachfolgestadt für Laodicea gegründet wurde.

Gegenüber steht die große Moschee, von der gerade zum Mittagsgebet gerufen wird. Da muss man einmal die Idee loben, unsere Kirchen mit Glocken auszustatten; die immer gleichen Gebetsrufe fünfmal täglich, zumeist mit recht merkwürdigen Stimmen vorgetragen, empfinde ich auf Dauer als eher nervtötend. Das Alltagsleben wird dadurch sowieso nicht beeinflusst; abgesehen von einer gewissen Anzahl (älterer) Männer und wenigen Frauen zum Freitagsgebet sah ich nirgendwo jemand in eine Moschee eilen, schon gar nicht im Gebet versunken auf der Straße. Die Frömmigkeit der Leute - oder, besser: die Praxis ihres Glaubens - ist hier nicht größer als die der Christen bei uns - warum sollte sie auch?

In Honaz fotografiere ich noch die Moschee, die wohl an der Stelle der früher Michael geweihten Kirche steht in der als Ersatz für das aufgegebene Kolossä gegründeten Stadt, die bekannt ist auch durch das vom Michael bewirkte Wunder von Chonai.

In Aydin, dem antiken Tralles, besuche ich nicht die spärlichen Ruinen eines Gymnasiums, eines Badehauses und des Bischofspalastes oberhalb der Stadt, sondern das Museum. Tralles wurde im 13. Jahrhundert v. Chr. gegründet, ab 133 v.Chr. Teil des römischen Reiches. Philippus der Evangelist war der Überlieferung zufolge hier Bischof, Tralles wurde später Sitz eines Erzbischofs. Im 13. Jahrhundert kamen die Seldschuken.
Einer der Schätze des Museums ist diese hethitische Metallfigur, knapp 8 cm groß.

Produkte der Glasbläserkunst aus der Römerzeit

Skulptur der Aphrodite, um 125 v.Chr.

Eros, fliegend, 3. / 2. Jahrhundert v. Chr.

Athene, aus der Römerzeit

Freitag, 5. Juli

Nach einer angenehm kühlen Nacht hoch in den Bergen über Muglia - es ist tagsüber nicht mehr schwül, aber sehr heiß und auch abends deshalb schwierig, einzuschlafen - komme ich ins antike Mylassa, dem heutigen Milas. Xena von Rom wirkte nach ihrer Bekehrung hier, erbaute eine Kirche und starb hier. In der Spätantike wurde Mylassa Sitz eines Bischofs. Milas ist ein nettes Städtchen mit diesen österreichischen - so nennt man sie - Häusern ...

... und diesem an die Antike erinnernden Brunnen. Der Unterschied zwischen dem Osten des Landes und dem Westen springt ins Auge: im Osten herrschen Staub und Armut vor, hier gibt es Sauberkeit und Wohlstand. Auch im Osten wird geputzt - ich habe es oft schon gesagt, nur: mit dem Schlauch eine Unmenge Wasser versprühen oder mit schmutzigem Lappen zu wischen, hilft nicht wirklich. Am absurdesten im Osten: abends fährt durch jede Gemeinde, die auf sich hält, ein Pick-up mit Wasserfass und einer Sprüheinrichtung; er versprüht das Wasser über die staubigen Straßen. Das hält vielleicht ½ Stunde, anschließend staubt es wie zuvor. Jetzt, im Westen, gibt es auch einige (bewässerte) grüne Flächen und in Städten sogar Anlagen mit Blumen.

Ich fahre nach Herakleia am Berg Latmos, heute das abgelegene Bauerndorf Kapıkirı, am Bafa-See vor den Latmos-Bergen gelegen. Der heutige See war einst mit dem Meer verbunden und wurde im Mittelalter durch Anschwemmungen und Vulkanausstoß zum Binnensee. Heute ist die Gegend Nationalpark mit seltenen Pflanzen, Vögeln und Reptilien. Auf dem Hinweg beeindrucken die gewaltigen Felsbrocken, die der Vulkan einst verschleuderte.
Hunde gibt es in der Türkei viele: Hirten- und Wachhunde im Dienst der Menschen, die meist sehr folgsam sind, und viele wilde Hunde, die auf der Straße leben, dort Futter suchen und sehr scheu sind. Im Unterschied zu Sizilien werden diese respektiert, nicht wie dort von den Autofahrern regelrecht gejagt und nach Möglichkeit überfahren.

Mitten im Ort steht dieser bescheidene Rest eines Athena-Tempels.
Was Tourismus in solch einer abgelegenen Bauernort bewirkt, kann man in Kapıkirı beispielhaft sehen: jedes zweite der höchst bescheidenen Häuser nennt sich Lokanta und / oder Pansiyon, es gibt mehrere Wiesen, die sich Campingplatz nennen und mindestens an drei Bauernhöfen steht ein (ur-)alter Jeep vor der Tür: man bietet Trekking per 4WD oder auch auf einem Esel im Gebiet des Latmos-Berges.
Im Februar 2010 wurde das Dorf und Wandern am Berg von einer dpa-Autorin beschrieben und dann auf SPIEGEL-online und in anderen Medien veröffentlicht: das Lob des idyllischen, ursprünglichen Erlebnisses. Schon der Titel des Artikels spricht Bände: Raki, Rotkiefern und versunkene Ruinen. * Jetzt kommen - sicher höchst selten, ich war natürlich der einzige - Touristen und man hat wohl gehört, dass man damit große Geschäfte machen kann, also wird es versucht. Die Bauersfrauen praktizieren extreme Anmache, was zu ihnen nun so gar nicht passt ...
Solch ein verklärender Artikel bietet den Einheimischen die Möglichkeit, einige Lira extra zu verdienen, das ist ihnen von Herzen zu gönnen; dabei verloren geht die Ursprünglichkeit der Menschen und ihre vielen Hoffnungen werden zwangsläufig enttäuscht; das aber ist ein hoher Preis - ich meine: zu hoch. Deshalb Finger weg von den Reisetipps zu den unverfälschten Orten.

Die Stadtmauer mag 6,5 Kilometer lang sein, wie in jenem Artikel beschrieben; die Reste sind spärlich.

Vor dem Strand liegt eine Insel mit der Ruine eines früheren Klosters; es gibt im See insgesamt fünf Inseln, jede hatte ein Kloster. Christodoulos wirkte hier im 11. Jahrhundert als Leiter der Mönche, die sich in die Einsamkeit des Sees und des Berges begeben hatten, bis sie auch dort schließlich vor den Muslimen flüchten musten.

Der Berg, 1200 Meter hoch

Nächste Station sind die Ruinen von Milet in der Ebene beim heutigen Dorf Balat. In der Antike lag die Stadt auf einer Landzunge, die vier Naturhäfen hatte und den Reichtum der Stadt begründete. Der berühmte griechische Philosoph, Mathematiker und Astronom Thales lebte im 6. Jahrhundert v. Chr. hier Schon von weitem springt das große Amphitheater ins Auge, das aus der Ebene herausragt. Milet wurde 494 v. Chr. von den Persern erobert und zerstört, dann aber schnell wieder aufgebaut.

Reste der Faustina-Thermen vom Ende des 2. Jahrhunderts

die nördliche Agora

Die byzantinische Michaelskirche, erbaut um 600 auf den Mauern eines Dionysostempels.
Weil Paulus auf der Rückfahrt seiner 3. Missionsreise aus Zeitgründen an Ephesus vorbeigesegelt war, ließ er nach den Ausführungen in der Apostelgeschichte die Ältesten dieser seiner Lieblingsgemeinde nach Milet kommen, um ihnen hier seine Abschiedsrede zu halten, dann bestieg er mit seinen Gefährten das Schiff, das sie ins Heilige Land bringen sollte. Paulus' Begleiter Trophimus blieb krankheitshalber in Milet, Achatius starb hier als Märtyrer. Später war die Stadt Sitz eines Bischofs bis zum Einfall der Osmanen im Jahr 1424. Isidoros, der Erbauer der berühmten damaligen Kirche Hagia Sophia in Byzanz kam aus Milet, ebenso sein gleichnamiger Neffe, der die 550 eingestürzte riesige Kuppel wieder aufbaute.

Die Ruinen von Milet können inzwischen ohne Eintritt besucht werden, nur das Museum an der Zufahrtsstraße kostet. In den Ruinen versucht dieser Mann hoch zu Ross mit den Touristen ins Geschäft zu kommen: er verschenkt frisch gepflückte Lavendelblüten, fragt, ob man Euro in Lira wechseln könne (wobei die Touristen wohl immer einen - sehr - guten Kurs praktizieren, ich auch) und schlägt dann weitere Geschäfte vor. Wenn die nicht zu machen sind, will er wenigstens fotografiert werden: bitteschön!

die Reste des südlichen Hafenbeckens

Reste der großen Kirche aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts

Neben der kleinen Karawanserei aus dem 14. Jahrhundert ist auch heute noch eine Gaststätte für die Touristen.

Weil ich einmal wieder - fälschlicherweise! - mir mehr als meinem Navi vertraue, komme ich nach Güllübahçe, wo ich den Wegweiser zu einer Nikolaus-Kirche sehe. Voilà: 1821 anstelle einer älteren Kirche von der damaligen griechischen Bevölkerung erbaut, steht sie noch immer ganz schmuck da.

Das Innere scheint wieder Treffpunkt der Jugend zu sein.

Die Deckenfresken haben gelitten. Wie schon mehrfach beobachtet, wurden auch hier die Bilder - oder meist zumindest die Gesichter der Figuren - übermalt. Die Übertretung des Bilderverbots durch die Christen scheint den Muslimen völlig inakzeptabel. Die alten Kirchen- und Ruinen sind ansonsten alle durch Gesetz als Denkmal geschützt, worauf immer Schilder hinweisen. Offenbar werden die Gebäude und Ruinen auch geachtet - nur eben die im Koran wie in der Bibel verbotenen Bilder nicht.

Eigentlich war mein Ziel die abseits gelegene byzantinische Burg der früheren Stadt Myus; auf dem Hinweg über eine katastrophale Straße standen auf dieser zwei Störche; einer ließ sich auch vom Geräusch meines Motors nicht verscheuchen.

Nach der Straße kam übler Feldweg, dann wurde der so schlecht, dass ich zu Fuß weiterging. Der Bau war die Mühe in der Mittagshitze nicht Wert ...

... die Flora schon.

Auf der Rückfahrt waren es vier Störche, davon zwei mutige.
Bei so vielen Störchen muss man darauf hinweisen: Die Türken haben eine Geburtenrate ähnlich wie in westeuropäischen Ländern, nur die Kurden im Osten sind dafür verantwortlich, dass man insgesamt noch auf einen Wert von 2,2% kommt - also gerade noch knapp über dem Erhalt der Bevölkerungszahl, für den 2,1% nötig sind. Die Kurden haben oftmals noch 3 bis 5 Kinder, die Türken aber nur 1 bis 2 Kinder, wenn überhaupt (die Türken in Deutschland im Durchschnitt 1,6!). Nachdem die Bevölkerungszahl in der Türkei seit 1927 von 13,6 Millionen auf 72.9 Millionen im Jahr 2005 kontinuierlich anstieg, stagniert sie seitdem. Erdoğan und seine Regierung machen deshalb jetzt - erfolglos - Werbung für mehr Kinder.

< Magnesia am Meander wurde 657 v. Chr. zerstört und dann durch die Perser wieder aufgebaut. Themistokles, der Staatsmann und Feldherr von Athen im 5. Jahrhundert, wurde hierher exiliert und starb hier. 133 v. Chr. wurde Magnesia römisch, 17 von einem Erdbeben zerstört, aber durch Kaiser Tiberius wieder aufgebaut. Schon 114 gab es dort eine sehr frühe christliche Gemeinde, die Bischofssitz wurde und auf den Konzilien vertreten war. 262 eroberten die Goten die Stadt, die nun an Bedeutung verlor; um 1300 übernahmen die Seldschuken die Herrschaft. Infolge von Überschwemmungen und daraus folgenden Seuchen wurde Magnesia nach und nach verlassen und aufgegeben.
Hier Reste des Artemis-Tempel

1891 bis 1893 wurden von Deutschen hier Ausgrabungen durchgeführt, vieles wurde wieder verschüttet, bis ab 1984 die Universität Ankara neue Grabungen unternahm, die anhalten. Dass noch manches zu tun bleibt, zeigt diese Bodenplatte.

das Propylon, der Torbau von der Agora zum Artemis-Tempel, aus dem 2. Jahrhundert v.Chr.

Ausgrabungen
Charalampos war hier Bischof. Die Legende berichtet, wie Charalampos im Alter von 113 Jahren gefangen genommen, seiner priesterlichen Gewänder beraubt, am Marktplatz gefesselt und mit Messern traktiert wurde: man zog ihm bei lebendigem Leib die Haut ab wie dereinst Bartholomäus, er aber bedankte sich bei seinen Peinigern und heilte andere Gequälte ...

Hermes, Figur aus dem Magnesia der Römerzeit (im Museum in Aydin)

Jenseits der Straße gibt es Reste der Stadtmauer und des Gymnasiums.

In Ephesus besuche ich am Abend noch die Höhle der Sieben Schläfer - wir kennen dasselbe schon aus Grotte nahe Dedeler bei Tarsus, aber gute Legenden verbreiten sich eben für mehrere Orte.

Vor der - unzugänglichen - Höhle am Osthang des Hügels des antiken Ephesus war eine Kirche des Wallfahrtsortes mit vielen Gräbern. Nach der Überlieferung der Orthodoxen Kirchen strab Maria Magdalena in Ephesus und war in diesem Sarg bestattet.
Auch heute besuchen - wie nahe Tarsus - viele Muslime den Platz, auch am Werktag war hier einiges los.

Die Reste der Kirche und die Höhle selbst sind unzugänglich, man kann nur von der Seite daraufschauen.

Zwischen der Höhlenkirche und den Ständen an der Straße genießt dieses Pferd seinen Feierabend ...

... denn tagsüber hat es wohl auch seine Arbeit getan vor einer der Kutschen, mit denen die Touristen zu den Ausgrabungen gefahren werden.

Mein letztes Ziel für heute ist das Haus der Maria hoch auf dem Berg über den Ruinen des antiken Ephesus. Die Nonne, Dulderin, Mystikerin und stigmatisierte deutsche Anna Katharina Emmerick hatte die Vision - die wie ihre anderen Schauungen 1818 bis 1824 von Clemens von Brentano aufgeschrieben und ausgestaltet wurde -, wie das Wohnhaus der Maria in Ephesus aussehe und wo genau es zu finden sei. 1891 wurden bei Grabungen Reste eines Hauses entdeckt, 1892 über den Grundmauern die heutige Kapelle errichtet. 1896 erklärte Papst Leo XIII. das Haus zum Marien-Wallfahrtsort; dessen Nachfolger, Pius X. gewährte den Besuchern einen vollständigen Ablass von Sündenstrafen.

Papst Paul VI. besuchte das Haus am Bülbül-Dağ, dem Nachtigallen-Berg, 1967 und bestätigte seine Echtheit, Papst Johannes Paul II. war 1979 dort, Papst Benedikt XVI. 2006; neben der kleinen Kapelle gibt es deshalb diesen Platz für Gottesdienste.
Tatsächlich ist es völlig unklar, wo und wie lange Maria nach dem Tode Jesu gelebt hat. Es gibt diesbezüglich weder im NT noch in den frühchristlichen Werken Nachrichten. Im Unterschied zum in Jerusalem verehrten Grab gibt es in Ephesus keinerlei archäologischen Befunde und keinerlei Zeugnisse früherer Verehrung.

In der Kapelle werden von einem Franziskanerpater und Nonnen des Lazarusordens aus dem kleinen Kloster nebenan regelmäig Gottesdienste abgehalten; ich wurde Zeuge der Vesper.

Das Kloster neben dem Marienhaus - türkisch Meryemana Evi.
Auch der Koran kennt Maria: O Maria, siehe, Allah hat dich auserwählt und hat dich gereinigt und hat dich erwählt vor den Weibern aller Welt (Sure 3, 42) O Maria, siehe, Allah verkündet dir ein Wort von ihm, sein Name ist der Messias Jesus, der Sohn der Maria, angesehen hinieden und im Jenseits und einer der Allah Nahen. (Sure 3, 45); insgesamt berichten 70 Koranverse von ihr. Entsprechend wird der Ort auch von vielen Muslimen besucht.

Unterhalb der Kapelle ist die von Muslimen eingerichtete Mauer mit Hunderten von Gebetsbitten ...

... daneben die Brunnen, deren Wasser verehrt wird und dem verschiedentlich Heilkräfte zugesprochen werden.

Dieser Platz vor der Kapelle deutet auf eine ehemalige Kirche mit Taufbecken ...

... und auch das gehört dazu ...

... ebenso wie Postamt und Jandarma-Station. Das Gelände wird von Uniformierten bewacht. An der Einfahrt zum Parkplatz werden 6 € verlangt, wobei betont wird, dass dies dem Unterhalt der Straße und des Parks durch die Stadt Selçuk dient, der Eintritt zur Kapelle aber frei ist.

Der Blick vom hohen Berg, auf dem Marias Haus steht, geht zum Mittelmeer und der untergehenden Sonne.

Am Fuß der Zufahrt zum Marienhaus, in Sichweit des Eingangs der Ruinen von Ephesus, haben US-amerikanische Christen 1996 diese riesige Marienstatue errichtet. Mission als Demonstration und mit Geld. Der türkische Papa fotografiert dennoch stolz seine Tochter.

Ich übernachte schon auf dem Parkplatz des antiken Ephesus; morgens gleich nach der Öffnung da zu sein, noch vor den Massen der mit den Omnibussen herbeigeschafften Touristen, hat sich schon in Hierapolis bewährt. Außerhalb des Geländes, direkt am Parkplatz, sind die Reste vom Grab des Lukas - tatsächlich ein im 2. Jahrhundert errichteter römischer Brunnen, der um 500 in eine Kirche umgewandelt wurde, die im 13. / 14. Jahrhundert aufgegeben wurde. Ein auf einem der Brunnensteine abgebildetes Rind führte im 19. Jahrhundert zur Theorie vom Grab des Evangelisten (Attribut: Stier) und Marienverehrers.

Hinter Ephesus geht die Sonne unter.

Die Tracks:
Pamukkale
Muglia
Ephesus

* Erstens heißt der Schnaps auf türkisch Rakı - das Zeichen ı hat auch der SPIEGEL, zweitens trinkt den bei den frommen Bauern hier keiner, das ist ein Städter-Gesöff. Und die Rotkiefer ist nichts anderes als die auch in Deutschland und sonstwo übliche Gemeine Kiefer, hier aber eher klein. Und die Ruinen sind nicht versunken, sondern - nicht alle - verschüttet. Die Autorin hat von den gepriesenen 4 Tagen Trecking auch nur 1½ mitgemacht. Aber man schreibt eben, was die Leute gerne lesen ...
Ähnliches schrieb Rüdiger Dilloo 2010 in der ZEIT unter dem Titel Kapikiri (sic!): Bienlein summen, Schwälblein zwitschern, lind geht die Luft ... Kapikiri ... was macht dich so magisch?.
Bei Dr. Koch Tours kann man Pauschalreisen Bergwildnis des Latmos & Ägäis samt Wanderung in Kapıkirı buchen; dort übernachtet man 2 Nächte in Gut gepflegte Familiere Pension, die gesamte 10-Tages-Reise kostet ab 1290 € - ein wahres Schnäppchen!

geschrieben am 8. Juli 2013



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