Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Hitze und Ramadan

   J. Schäfer          

Den zuhause oft über das Wetter Schimpfenden kann ich versichern: zu viel Hitze ist auch blöd. Und der Ramadan auch, obwohl ich gleich beim ersten iftar eine sehr nette Tischgenossin hatte.
Aber der Reihe nach:

Samstag, 6. Juli

Ephesus wurde um 6000 v. Chr. gegründet, damals auf dem Hügel, auf dem heute die Burg und die Ruine der Johannes-Kirche stehen; die Griechen verlegten das Zentrum der Stadt um 300 v. Chr. an den heutigen Ort der Ausgrabungen. In der hellenistischen und Römerzeit hatte die Stadt 200.000 Einwohner. Obwohl sie das Privileg der Steuerfreiheit genossen, gab es 88 v. Chr. einen Aufstand, bei dem der Überlieferung zufolge in einer einzigen Nacht 80.000 Italiker in Ephesus getötet wurden; die Römer konnten den Aufstand dennoch niederschlagen, die Stadt wurde steuerpflichtig. Ephesus war die größte Stadt der Provinz Asia und ab 29 v. Chr - anstelle von Pergamon - deren Hauptstadt. Im Jahr 17 durch ein Erdbeben völlig zerstört, wurde die Stadt wieder aufgebaut. Unter byzantinischer Herrschaft wurde die Stadt wieder zurück an ihren Ursprungsort verlegt, das heutige Selçuk.
Das Bild zeigt die Basilika Stoa, die königliche Halle


Wohl unter Kaiser Augustus - dem von Weihnachten - wurde dieser Tempel errichtet, entweder für Cäsar und Dea Roma oder für Augustus selbst und Artemis; angeschlossen war ein Bankett- und Wohnhaus, es war also ein richtiges Gemeindezentrum!

Dieser Tempel war zunächst Kaiser Domitian, dem Onkel der Flavia Domitilla und bekannt geworden als Christenverfolger - gewidmet, nach seiner Ermordung und der Tilgung seines Gedächtnisses der Familie. Nachdem das Christentum zur Staatsreligion geworden war, wurde der Tempel schon damals fast völlig abgetragen.

die berühmte Kuretenstraße hinab zur Bibliothek des Celsus

das Nymphaeum des Trajan und der Artemis, der Brunnen zu Ehren des Kaisers und der Göttin, um 108 erbaut

Die Kuretenstraße war an der Südseite mit Wohnhäusern bebaut, errichtet um 100. Die größte dieser Wohnungen hatte 1400 m² Grundfläche und bis zu 11 Meter hohe Räume.

Erlass der Kaiser Valentinian, Valens und Gratian, mit dem diese die Bitte um Steuererleichterungen ablehnen, aufgestellt an der Kuretenstraße, ums Jahr 370

das Hadrianstor zu Ehren von Kaiser Hadrian, ab 117 gebaut, nach der Zerstörung durch ein Erdbeben 270 wieder neu aufgebaut

Die berühmte Celsus-Bibliothek, das Wahrzeichen der Ausgrabungen, um 105 vom Sohn als Grabmal für den Vater, Senator Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus, Statthalter in Ephesus, errichtet; über dem Grab war die Bibliothek mit bis zu 12.000 Büchern aus Pergamentrollen - eine tolle Idee, finde ich: nicht Friedhof sondern Brunnquell der Weisheit! Könnte einer meiner Söhne dereinst mit mir auch machen!
Wohl durch einen Brand beim Erdbeben von 270 wurde der Innenraum der Bibliothek zerstört und nicht wieder hergestellt, die Fassade zierte nun eine monumentale Brunnenanlage. In den 70-er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Fassade von Österreichern wieder aufgebaut und ist nun das wohl bekannteste antike Monument der Türkei.
Die Fassade ohne Menschen zu fotografieren, wäre eine halbe Stunde später nicht mehr möglich gewesen.

Visualisation des Innenraumes

Die Fassade zieren Sophia - Weisheit, dazu Arethae - Tugend, Ennoia - Urteilsfähigkeit und Episteme - Vortrefflichkeit

das Südtor der Agora

die Marmorstraße, von der Celsus-Bibliothek nach Norden

Reste der Thermen, die unmittelbar am Hafen standen

die Arkadiane, die Straße zum Hafen, um 400 so erneuert, spätestens im 6. Jahrhundert nachts beleuchtet

Für mich natürlich das wichtigste: die Marienkirche am Rande der Stadt, nahe beim früheren Hafen.
Paulus kam auf der Heimfahrt von seiner 2. Missionsreise zusammen mit Priscilla und Aquila nach Ephesus; während Paulus bald weiterreiste, blieb das vor der römischen Judenverfolgung geflohene Paar in der Stadt. Wohl schon vor dem Jahr 50 war die Botschaft von Jesus Christus durch Apollos nach Ephesos gekommen, wo ihn das Paar ihn nun in ihr Haus aufnahmen, wie die Apostelgeschichte (18, 18 - 28) beschreibt; die Gemeinde von Ephesus wurde so eine der ersten christlichen Gemeinden. 52 kam Paulus auf seiner 3. Missionsreise nun für drei Jahre nach Ephesus, einige Zeit davon offenbar in Gefangenschaft. In dieser Zeit verfasste er seine Briefe an die Gemeinden in Galatien, in Philippi und die Briefe nach Korinth sowie den Brief an Philemon, nachdem dessen entlaufener Sklave Onesimus hilfesuchend zu Paulus nach Ephesus gekommen war.

Trophimus und Tychicus wurden damals zu Gefährten des Paulus und begleiteten ihn dann auf der Weiterreise. Evodius, der erste Bischof von Antiochia, stammte der Überlieferung nach aus Ephesus. Um 157 fand hier der Dialog des christlichen Philosophen, Märtyrers und Kirchenvaters Justinus mit dem Juden Tryphon statt, eine der frühesten überlieferten Auseinandersetzungen mit dem Judentum.

Die Marienkirche wurde durch Umbau eines wohl um 125 gebauten Zeus-Tempels im späten 4. Jahrhundert errichtet - die Zeichnung zeigt von untern nach oben diesen ersten Bau, darüber den Umbau des 6. Jahrhunderts in eine Kuppelkirche, oben den Umbau zur Pfeilerbasilika im 10. Jahrhundert. Hier tagte 431 das für die Lehren des Christentums wegweisende Konzil von Ephesus.

Blick auf die Apsis der Marienkirche. Papst Paul VI. besuchte die Kirche 1967, wie eine Inschrift vermeldet.

die Taufkapelle mit dem Taufbecken in der Mitte

die schmückenden Kreuze stammen aus dem 5. / 6. Jahrhundert

der Vorplatz im Westen

die Mauern des Schiffes der Marienkirche - kommt von oben Segen?

Von den Ausgrabungen des Bischofspalastes aus dem 5. Jahrhundert ist nicht mehr viel zu erkennen.
Timotheus war der Überlieferung zufolg der erste Bischof von Ephesus, jedenfalls wirkte er hier im Auftrag von Paulus in der Frühzeit der Christengemeinde. Abraham von Ephesus war Bischof im 6. Jahrhundert, also als der Palast schon bestand.

so sah der Palast nach den Ausgrabungen aus

Blick von der Marienkirche auf den Bülbül-Dağ mit dem Haus der Maria (links). 100 Meter über der Talsohle gibt es (rechts, am Pfeil) eine Höhle, die aufgrund einer Inschrift schon länger Paulusgrotte genannt wird; nun fand man Fresken aus dem 5. Jahrhundert, die Paulus mit der von ihm bekehrten Thekla von Ikonium zeigen.

Paulus-Fresko in der Höhle. Das Bild stammt von der Universität Wien; Österreich ist federführend bei den Ausgrabungen und Arbeiten in Ephesus.

die Agora

Dieser Brunnen mitten in der Stadt erhielt im 5. / 6. Jahrhundert eine neue weinfassung, nun mit dem Symbol des Christentums.

Die Bustouristen haben es gut: die werden am oberen Eingang ausgeladen, gehen einmal bergab und besteigen am unteren Eingang den Bus wieder. Ich musste den Rückweg in der Hitze machen - dafür war ich aber auch vor den Massen schon hier.

Die einst - ebenso wie die Marienkirche - sehr große Johanneskirche steht nicht im Ausgrabungsgelände, sondern in der Burganlage in Selçuk, der Zugang führt deshalb durch dieses mächtige Tor. Der Verfasser des Johannes-Evangeliums und der Offenbarung, den die Tradition mit dem Jünger Johannes gleichsetzt, lebte, wirkte und starb wohl in Ephesus. Darauf gründet sich hauptsächlich auch die Überlieferung, dass Maria, die Jesus vor seinem Tod seinem Lieblingsjünger anvertraute, in Ephesus ihre letzten Jahre verbrachte und hier starb.

Luftbild der ausgegrabenen Johanneskirche

Blick durch eine der Seitentüren in das Kirchenschiff und die gegenüber liegende Taufkapelle. Wie Paulus geriet auch Johannes in Ephesus der Überlieferung zufolge in Konflikte mit den Priestern am Artemis-Tempel, die durch die neue Lehre des Christentums um ihre Einnahmen fürchteten. Sie wollten Johannes deshalb töten, der aber überlebte wundersamer Weise und rettete noch andere Todeskandidaten. Nach seiner Verhaftung in der Verfolgung unter Kaiser Domitian im Jahr 95, der Überstellung nach Rom und auch dort wunderbar überlebtem Martyrium wurde Johannes demnach auf die Insel Patmos verbannt, konnte aber nach dem Tod Domitians nach Ephesus zurückkehren, wo er starb.

Über dem Grab von Johannes wurde eine Kirche erbaut, im 4. Jahrhundert eine große Basilika errichtet; die heute sichtbaren Reste stammen von der im 6. Jahrhundert neu und noch größer gebauten Kirche mit einer Größe von 135 auf 65 Metern; dafür wurde eigens der Burgberg vergrößert. Laut Inschrift wäre das noch heute die sechtsgrößte Kathedrale der Welt. 1304 kamen dir Türken, Teile der Kirche wurden Moschee, um 1367 zerstörte ein Erdbeben den Bau.

Johannes' Grab, auch dieses besuchte Papst Paul VI. im Jahr 1967. Bei seiner Öffnung durch österreichische Archäologen fanden sie nur etwas Staub.

die Taufkapelle

Direkt unterhalb der Johannes-Kirche steht die ebenfalls sehr große Isa Bey-Moschee, gebaut 1375, nachdem das Erdbeben die frühere Kirche, die nun Moschee war, zerstört hatte. Offenbar wollte man den den Christen heiligen Platz aber doch nicht einfach mit einer neuen Moschee überbauen und so für die Christen zerstören, sondern baute - ebenso prächtig - gleich nebenan am Fuß des Berges neu. Die Türken benannten das errungene Ephesus damals türkisch Ayasuluk, Stadt des heiligen Theologen.

Für so viel Toleranz und Respekt hat sich Isa Bey, der erste türkische Sultan der Stadt, das Denkmal verdient, meine ich.

Direkt unterhalb der Kirche sind die Reste eines Klosters erhalten.

Auch hier wird weiter ausgegraben, wie in ganz Ephesus unter Federführung von Österreichern.

Meine nächste Station, führt mich an die Küste zur Suche nach dem Geburtsort von Gregor Sinaites, dem Dorf Kukulos bei Klazomenai. Dazu muss erst die Stadt Ízmir durchquert und ihr Verkehr bewältigt werden. Zwar gibt es eine Autobahn, aber das Guthaben meines Chips ist abgelaufen und heute ist Samstag, da haben die Postämter geschlossen.
Das türkische Mautsystem ist wirklich clever: man kauft einen kleinen Chip für die Windschutzscheibe und bei der Durchfahrt an den Mautstellen wird abgebucht. Kein Warten, kein Kramen nach Geld, geht ruckzuck, Hightech, funktioniert. Der ADAC schrieb, man könne den Chip an Autobahntankstellen und auf Postämtern bekommen. In Wahrheit muss man Verkaufsstellen wie einen Schatz suchen. In Edirne gabs direkt an der Grenze eine (eine!) Tankstelle mit Chipverkauf, seitdem überall Fehlanzeige. Der ADAC schreibt, man könne eine Woche auf Kredit fahren, danach drohten hohe Strafen. Also brauche ich Guthaben - nur: woher nehmen?
Die Suche nach Kukulos bleibt erfolglos, dafür blüht am Samstag das Strandleben. Hier im Westen unterscheidet sich das nicht von dem irgendwo in Europa. Beim Tanken meint der Tankwart, die Autobahn nach Izmir sei mautfrei, also spare ich mir beim Rückweg den Stadtverkehr. Sie ist nicht mautfrei. Eine Tankstelle an der Autobahn verkauft hier, nahe der Grenze zu Griechenland, Plaketten! Hurra! Aber nicht für ausländische Autos! An der Ausfahrt sei ein Büro, da bekomme ich welche, übersetzt mir eine hilfreiche Kundin. Tatsächlich: Büro, Postbeamter - alles da, ich kann wieder Autobahn fahren (seit Şanlıurfa gab es keine mehr).
Dazu muss man vom Büro auf der Autobahn ein Stück rückwärts fahren, um an die Durchfahrt zu gelangen - clever!

Um Ízmir finde ich auch keinen Campingplatz, also fahre ich weiter und hoffe auf Morgen.
In Kemalpaşa - dem früheren Nymphaion starb Kaiser Johannes III. Vatatzes, nachdem zuvor Johannes von Parma dort mit ihm - erfolglos - im Auftrag von Papst Innozenz IV. Verhandlungen über eine Union der Orthodoxen mit der römischen Kirche geführt hatte.
Vom ehemaligen Kaiserpalast ist wenig übrig. Aber die Bürgermeisterwahl steht offenbar an: dieser Herr kandidiert und verspricht Integrität, Fitness, Zeitgenossenschaft, Modernität und Arbeit.

Gegenüber das Plakat, das auf die seitherigen Leistungen in der Stadt mit 70.000 Einwohnern verweist: 42 Spielplätze und 2 Erholungsparks, Omnibusverkehr (man beachte den für die Werbung eingesetzten hochmodernen Bus!), 61 Moscheen (die werden mit Spenden, nicht von der Kommune gebaut), 2 Bürgerhäuser, 2 Gebetsräume.

Am Abend komme ich nach Sardes, eine der frühchristlichen Gemeinden, einer der Adressaten der sieben Sendschreiben in der Offenbarung des Johannes. Schon im 7. Jahrhundert Hauptstadt des Königreiches Lydien, bei den Römern Sitz eines Gerichtsbezirks, in spätantiker und byzantinischer Zeit Hauptstadt der Provinz Lydien - eine stolze Stadt, die in der Offenbarung entsprechend ermahnt wird.
Die Ausgrabungsstätte empfängt mich mit jungem Glück. Die sind wohl hier, um Fotos mit den monumentalen Ruinen zu machen.

Die Ausgrabungsstätte wird beherrscht vom restaurierten riesigen Gymnasium mit Badehaus, erbaut um 300; hier das Hallenbad.

Die Turnhalle. Warum zeigt der nach oben?

Deshalb! Nicht zum ersten Mal, dass ein Türke das Dach beklettern muss. Auch hier: Testosteron im Überfluss, ein Problem der türkischen Männer, wie sich in vielem zeigt.

Reste der Agora

Unweit des Gymnasiums war die Synagoge, von deren Versammlungsraum auch die Bodenmosaiken aus dem 4. / 5. Jahrhundert gut erhalten sind. Der Raum war 50 Meter lang, 14 Meter hoch und hatte Platz für fast 1000 Menschen

Wandschmuck in der Synagoge

Der Gesamtkomplex des Gymnasiums ...

... und ein Detail

Die Latrine. Man sieht schön die Sitzgelegeneheiten, deren Produkte dann vom unterhalb fließenden Wasser weggespült wurden.

Reste der Stadtmauer

Gegenüber des Gymnasiums wird derzeit eine kleine Kirche ausgegraben.

Hoch auf dem Berg (rechts) Reste des Tempels der Artemis, die hier ebenfalls verehrt wurde.

türkisches Parken

Ich komme nach Alaşehir, dem früheren Philadelphia. Bitteschön: in solchen Häusern feiert man Hochzeit: ein Dügün-Salon!
Da ich die vergangenen Tage bis spätabends unterwegs war, war ich jetzt drei Abende hintereinander essen. Erster Abend: Fleisch am Spieß mit Tomaten- / Gurkensalat und Brot, mit Fanta 5 €. Zweiter Abend: Fleisch am Spieß mit Tomaten- / Gurkensalat und Brot, mit Fanta 13 €. Dritter Abend: Fleisch am Spieß mit Tomaten- / Gurkensalat und Brot, mit Fanta 6 €. Die Fleischportionen sind homöopatisch, die Qualität auch; ich frage mich, wie die die kleinen Stückchen auf den Spieß kriegen. Das Salatdressing macht man sich mit der beigefügten Zitrone. Das Weißbrot ist mal mehr, mal weniger alt. Im Durchschnitt also 8 €: das ist zwar billig - aber ist es auch preiswert? Morgen, auf dem Campingplatz, koche ich Spätzle!

Sonntag, 7. Juli

Weil es nach dem Essen schon dunkel war, konnte ich bei der Wahl des Schlafplatzes nicht wählerisch sein. Ich fand ihn neben dem Stadion. Und, wie sich bald herausstellte: neben dem Rummelplatz - Boxautos und eine Schiffschaukel. Zwar kaum Leute, dafür umso lauter türkische Musik. Ich bin müde genug, dennoch einzuschlafen.
Am Morgen fahre ich wieder durch die Hauptstraße der Stadt, die wie immer Atatürk-Bulvar heißt. Derzeit Baustelle, trotzdem als Hauptstraße viel benutzt - nicht jetzt, am Sonntagmorgen, aber gestern Abend; die Tiefe der Schlaglöcher erkennnt man auf dem Foto nicht, den Staub kann man erahnen - dabei hatte ich gestern die Kiste erst gewaschen.

Alaşehir ist die Nachfolgestadt von Philadelphia, auch eine Empfängerin eines Sendschreibens in der Offenbarung. Die Christengemeinde dort entstand schon früh; die Stadt war die modernste der sieben Sendschreiben-Städte, Zentrum des Weinbaus mit wilden Festen für den Weingott Dionysos; die Gemeinde wird für ihre Standhaftigkeit gelobt. Als Ruine erhalten ist die große ehemalige Johanneskirche im Zentrum der Stadt - leider eingezäunt und abgeschlossen.

Jetzt, am Sonntag, wage ich mich auch in die Innenstadt und die Altstadtgassen von Ízmir (das hier ist keine Einbahnstraße, es gibt ja Platz zum Ausweichen). Izmir hat 3,5 Millionen Einwohner - wie Berlin - und ist damit die drittgrößte Stadt der Türkei und ein wirtschaftliches Zentrum.

Am Sonntag kann sich auch der Müllsammler ein Päuschen erlauben ...

Der Eingang zur rum-orthodoxen Kirche in der Altstadt. Nachdem die Syrisch-Orthodoxe Kirche die Beschlüsse des Konzils von Chalkedon über die zwei Naturen Christi nicht anerkannte, trennte sich die rum-orthodoxe Kirche von dieser.

Die Kirche sei Museum, betonen die zwei freundlichen Wächter. Kirchen, die nicht in Gebrauch sind, werden so vom Staat - oft mit Unterstützung aus dem Ausland - erhalten. Die Kirche ist Voukolos von Smyrna, dem wohl ersten Bischof der Stadt, geweiht.

Der Patriarch von Konstantinopel und orthodoxe Kirchenvater Johannes „Chrysostomus”; auch hier wurde das Gesicht übermalt.

Auch hier wird vor der Kirche eine alte Setzmaschine ...

... und eine alte Druckerpresse gezeigt. Kirche des Wortes!

die Kirche mit ihren zwei Wächtern von außen

Im Norden der heutigen Stadt liegt das Ausgrabungsgelände des antiken Smyrna - hier Teile der Stadtmauer aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Auch dieses Gelände ist leider verschlossen.
Auch in Smyrna gab es früh eine Gemeinde, an die eines der Sendschreiben Johannes-Offenbarung gerichtet war. Verfolgung und Armut kennzeichneten die Gemeinde; Bischof Polykarp starb 156 als Märtyrer; als Apostolischer Vater gehört er zu den Säulen der Kirchengeschichte. Sein Schüler Irenäus von Lyon wurde zum Kirchenvater der Westkirche.

Das antike Pergamon heißt heute Bergama. In der Stadt steht die riesige rote Halle, 60 auf 26 Meter groß, ursprünglich ein Heiligtum für die ägyptischen Götter Serapis und Isis, in byzantinischer Zeit in eine dreischiffige Basilika umgebaut.

Die Halle wird flankiert von zwei Rundbauten, der linke wurde später Moschee.

Pergamon ist natürlich berühmt ob seiner Akropolis mit dem Zeus-Altar. Den kenne ich, den haben wir Deutschen nach Berlin geholt. Der Rest der Akropolis mit Amphitheater, Tempeln, Bibliothek - der damals weltweit zweitgrößten nach Alexandria - unterscheidet sich nicht groß von dem, was ich in den letzten Tagen gesehen habe - ich verzichte, mache ein Foto aus der Ferne - es ist zu heiß, ich brauche eine Dusche.

Und es gibt nicht nur den schönen, 1517 gebauten Hamam auf diesem Foto - sondern tatsächlich einen Campingplatz in Bergamo!
Was findet dort am Abend statt? Natürlich Hochzeit. Rund um den Swimming-Pool ist für mindestens 300 Leute prächtig eingedeckt, jede Menge Blumen (Plastik), Tischdekoration, alle Stühle angekleidet, wie das heutzutage als chic gilt (wer hatte eigentlich diese Schnapsidee?). Ich beeile mich, in den Swimming-Pool zu kommen, bevor die Hochzeitsgesellschaft eintrifft, das wäre denn doch zu peinlich. Auch in dessen Mitte schwimmt ein Blumengesteck.
Um 20 Uhr ist noch keiner da, die deutsche Hektik war 'mal wieder umsonst. Aber ich habe eine Idee: Wenn ich jetzt nicht selbst koche, sondern auf meine Spätzle verzichte und essen gehe, bekomme ich sicher etwas vom Hochzeitsmenue, die werden für mich ja nicht extra kochen! Doch, ich könne gerne etwas zu Essen bekommen: Meatballs - also Köfte - oder Chicken - also Hühnerfleisch am Spieß, dazu Tomaten- / Gurkensalat und Brot. Großartig!
Nach 20 Uhr kommen die ersten Gäste, nach 21 Uhr - mit Tusch der Band - das Brautpaar. Essen gibt es nicht, Getränke haben auch nur einige auf ihrem Tisch. Aber die Band macht Musik - türkisch (die Band bei der Hochzeit im Hotel nebenan macht auch Musik - türkisch -, die Summe ist einzigartig!) Dazu wird getanzt: Frauen mit Frauen, Männer mit Männern in einer dem Sirtaki ähnlichen Weise, das wird gefilmt und auf eine große Leinwand übertragen.
Ohren voll, Magen und Blase leer - da war ich mit den Köfte und einem Bier noch gut bedient!

Montag, 8. Juli, bis Donnerstag, 11. Juli

Der Campingplatz ist ganz nett, die Besitzer freundlich, der Chef spricht etwas deutsch, sein Sohn gut englisch. Als ich ankam, traf ich den Holländer und seine Frau, die ich schon vom Camping in Göreme kannte. Das sei kein Zufall, meinte er, es gebe ja kaum Plätze, da treffe man sich eben auf den wenigen. Er hat Recht: das einstige Camper-Paradies Türkei ist dank der Pauschalreisen heute fast ohne Campingplätze und die überleben mit Tagesgästen, Hochzeiten etc. Ich hatte im Internet für Bergamo zwei gefunden (über Google diesmal, nicht ADAC!); einer ist geschlossen - und war sowieso nur eine winzige Beton-Fläche mitten im Ort, der andere ist inzwischen nur noch ein Hotel.

Am Dienstag überrascht mich der Campingplatz-Besitzer mit der Mitteilung, es sei nun Ramadan. Letztes Jahr war das Fastenbrechen während meines Urlaubs - ich dachte, erst im September, war offenbar ein Irrtum. Man merkt wenig davon: auf der Straße und in der Stadt ist das Leben geschäftig wie immer. Als ich einkaufe, sind die Verkäufer aber auffällig unmotiviert, um nicht zu sagen unfreundlich. Zufall oder Neid auf den Ungläubigen, der Einkaufen, Essen und Trinken kann wie ihm beliebt? Im Koran wird betont, der Ramadan solle nicht knechten, man müsse sich auch nicht sklavisch daran halten, sondern Allah sei Liebe und deshalb ein Nachholen nicht eingehaltener Fastentage jederzeit möglich. Dennoch: der Wüstensohn Mohammed musste doch wissen, was es bedeutet, im Sommer den ganzen Tag nichts zu trinken - eine miese Idee! Ramadan im Hochsommer hält auch der Campingplatz-Besitzer offensichtlich für blöd, aber das wechsle ja im Laufe der Jahre (weil sich er Ramadan aufgrund des islamischen Kalenders immer 10 Tage nach vorne verschiebt).

Als es gen Abend geht, sehe ich den Campingplatz-Opa sichtlich unruhig über den Platz wandeln; er kann es offenbar kaum noch erwarten ... Nach dem Essen geht er in der Dunkelheit freudestrahlend und genüsslich rauchend seiner Wege.
Ich habe noch vor Einbruch der Dunkelheit gekocht und gegessen: Nudeln mit Frühstücksfleisch (warum eigentlich heißt seit Jahrzehnten diese Billigwurst in Dosen Fleisch und warum - liebe Frau Aigner - darf sie so heißen?), da baute sich diese junge Katze vor meinem Tisch auf. Ich hatte sie nie vorher gesehen, sie scheint es gerochen zu haben. Anstatt meine Reste wegzuwerfen, könnte ich sie ihr geben? Sie isst zielgenau das Fleisch und lässt die Nudeln liegen; natürlich kennt die türkische Katze keine Nudeln, aber doch auch kein Fleisch aus EG-Lagerbeständen?

Und noch etwas gibt es jetzt im Ramadan, jeden Abend, nebenan, wo der Milli-Park der Stadt ist, der Erholungswald am Stadtrand: nach Einbruch der Dunkelheit findet - wie soll ich sagen? - Jugend-Koranabend statt. Bühne, Lightshow, Kurzpredigt, Anspiel, (westliche) Musik, Spiele. Der Jugend-Imam oder wie er auch immer heißen mag spielt den Animateur, heizt die Stimmung an, macht das richtig gut, nach allen Regeln der Kunst! Es kommt nur fast keiner.

Eigentlich wollte ich am Donnerstag aufbrechen - der Holländer war gestern weitergefahren. Er hat keine Lust mehr auf die Türkei: Ich war das dritte Mal hier, aber ich komme nicht wieder. Die Menschen sind freundlich, aber es ist immer dasselbe. Ich meine zu verstehen, was er meint: es fehlt der entscheidende Wohlfühl-Faktor. Der Campingplatz hier ist ok, nur: von vier Klotüren kann man zwei abschließen - nachdem man herausgefunden hat, welche es sind. Die Duschen haben warmes und kaltes Wasser, aber man kann das nicht mischen, weil eine Mischbatterie nur mit ähnlichem Wasserdruck funktioniert; heiß ist zu heiß, also dusche ich kalt. Vorgestern war ich Duschen, als ich fast fertig war, blieb das Wasser ganz aus; die Holländerin hatte 5 Minuten nach mir begonnen ... Wasser gab's am nächsten Morgen wieder, die Pumpe war defekt. Das ist alles nicht wirklich schlimm, aber es ist überall so ähnlich und auf die Dauer nervt es ...
Als ich vor der Abfahrt mit der Kiste in der Werkstatt war, kam der Meister, schaute meinen Ausbau an und fragte mit Anerkennung im Unterton: selbst gemacht? Und als ich fast schon stolz bejahte, antwortete er: das sieht man! Er hatte Recht, und so ähnlich ist es in der Türkei: selbst gemacht, das spürt man.

Nun bleibe ich einen Tag länger, weil ich einfach zu viel zu tun habe. Ihr zuhause in Eurem gemütlichen Berufs-Alltag habt ja keine Ahnung von meinem Stress: Schatten suchen. Trinken. Mit den Türken reden - das ist anstrengend mit den vielen Sprachen. Mails beantworten. Route planen. Wäsche waschen. Kiste putzen. Blog schreiben. Essen kaufen. Schwimmen. Und alles ohne Mittagsschlaf und bei 34° im Schatten!

Die Tracks:
6. Juli 2013 und Alasehir
Bergama

geschrieben am 10. / 11. Juli 2013


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