Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons
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Wildwest im Schweizerischen Kappadokien

   J. Schä­fer          

Don­ners­tag, 26. Fe­bru­ar

Die Tem­pe­ra­tu­ren sind früh­som­mer­lich, der Wet­ter­be­richt ist gut, nach fast vier Wo­chen wird es Zeit, das Al­ters­heim zu ver­las­sen. Mein ers­tes Zeil ist Mo­tril, wo Deogra­ci­as Pa­la­ci­os del Rio de San Agustín und Ge­fähr­ten als Mär­ty­rer des Bür­ger­krie­ges star­ben. Vor deren Klos­ter wer­den die Oran­gen­bäu­me ge­schnit­ten, die rei­fen Früch­te kul­lern un­be­ach­tet die Stra­ße hinab.


Ge­gen­über fin­det mit lau­ter Ra­dio­mu­sik eine Art Pro­zes­si­on statt, deren Sinn sich mir al­ler­dings nicht er­schlie­ßt.

Vor der Au­gus­ti­ner­kir­che in Mo­tril sit­zen die von der Krise Aus­ge­schie­de­nen: 23,7 Pro­zent be­trug die Ar­beits­lo­sen­ra­te im Ok­to­ber in Spa­ni­en - das wurde vom deut­schen Han­dels­blatt als Er­folg der Aus­te­ri­täts­po­li­tik ge­fei­ert: die Ent­wick­lung sei deut­lich bes­ser als von Öko­no­men er­war­tet.
An jeder Kir­che gibt es hier bet­teln­de Men­schen.

Auf dem Platz Pu­er­ta del Sol in Ma­drid de­mons­trier­ten der­weil wie­der Zehn­tau­sen­de, er­mun­tert durch den grie­chi­schen Wahl­sieg von Sy­ri­za Po­de­mos, Wir kön­nen, - auch an­ders als von Mer­kel dik­tiert. In den Um­fra­gen sehen man­che Po­de­mos in­zwi­schen für die Na­tio­nal­wah­len im Herbst auf Platz 1. Wäh­rend die deut­sche Pres­se nun gleich­zei­tig von Un­ver­schämt­heit und dann doch Ka­pi­tu­la­ti­on der Grie­chen spricht, stel­len in­ter­na­tio­na­le Be­ob­ach­ter fest: Ganz im Ge­gen­teil steht Grie­chen­land nach den Ver­hand­lun­gen ziem­lich gut da, wenn­gleich die gro­ßen Kämp­fe noch be­vor­ste­hen. Und damit hat Grie­chen­land dem rest­li­chen Eu­ro­pa einen Ge­fal­len getan, so der schon ein­mal zi­tier­te US-ame­ri­ka­ni­sche Pro­fes­sor für Volks­wirt­schafts­leh­re und No­bel­preis­trä­ger Paul Krug­man. An­ders, so sagt er, sei die Dar­stel­lung in der Wirt­schafts­pres­se, der die Ge­schich­te eines grie­chi­schen De­ba­kels ge­fällt, weil genau so etwas mit dreis­ten Schuld­nern ge­sche­hen soll. Doch es gab kein De­ba­kel. Einst­wei­len je­den­falls scheint Grie­chen­land den Zy­klus einer immer grau­sa­me­ren Aus­te­ri­tät be­en­det zu haben. Auch die der­zei­ti­ge kon­ser­va­ti­ve spa­ni­sche Re­gie­rung will na­tür­lich kei­nen grie­chi­schen Er­folg sehen, son­dern zeigt sich be­son­ders hart - sie fürch­tet den Er­folg von Po­de­mos im Herbst nach grie­chi­schem Vor­bild.

Nach lan­ger, kur­ven­rei­cher Fahrt auf schma­ler Berg­stra­ße er­rei­che ich das Berg­dorf Pam­pa­nei­ra, 1060 Meter ü. d. M., vor dem 3396 Meter hohen, schnee­be­deck­ten Pico Vel­eta.

Die Kir­che lässt noch die alte Mo­schee er­ken­nen - deut­lich zeigt sich der Mihrāb, die Ge­bets­ni­sche Rich­tung Mekka. Der ab­ge­le­ge­ne Ort ist heute be­lieb­tes Aus­flugs­ziel der Küs­ten­ur­lau­ber - im Som­mer si­cher eine be­son­de­re Wohl­tat.

Ich fahre durch die Berge Rich­tung Wes­ten. Kurz vor der Küste zeigt sich beim Blick nach Nor­den die herr­li­che Berg­welt …

… und wenn man die Ka­me­ra um 180° schwenkt der Fluch der Küs­ten­wär­me: die Ge­wächs­häu­ser. Unter Plas­tik­pla­nen wach­sen hier auf rie­si­gen Flä­chen die Köst­lich­kei­ten, die wir in Mit­tel­eu­ro­pa auch zu Weih­nach­ten frisch brau­chen: von Au­ber­gi­nen über Sa­la­te bis zu Zuc­chi­ni.

Die schö­ne Pfarr­kir­che von Dalías hat eine Ka­pel­le für den hier ge­bo­re­nen José Maria Rubio y Pe­r­al­ta.

El Ejido ist das Zen­trum des Ge­mü­se­an­baus. Das Foto zeigt die Schreck­lich­keit der bis ans Meer rei­chen­den Ge­wächs­häu­ser nicht so deut­lich wie der echte Blick. Die Ge­wächs­häu­ser hier haben eine Flä­che von 25.000 Hekt­ar, mehr als in Hol­land und Bel­gi­en zu­sam­men. Das op­ti­sche Pro­blem ist noch das kleins­te, schlim­mer sind der Was­ser­ver­brauch und die Sen­kung des Grund­was­ser­spie­gels und v. a. der Ein­satz der Che­mie zur Schäd­lings­be­kämp­fung, der auch schon Ar­bei­ter zum Opfer fie­len; die kom­men oft aus Ma­rok­ko, Ta­ges­lohn 10 €.

Am Abend komme ich nach Almería und über­nach­te in einer klei­nen Bucht di­rekt am Strand. Hier am Meer ist es schon so warm, dass ich die Nacht ohne Schlaf­sack ver­brin­ge.

Frei­tag, 27. Fe­bru­ar

Die Au­ßen­mau­er des Kreuz­gangs der Ka­the­dra­le in Almería er­in­nert wie­der mehr an eine Fes­tung als an eine Kir­che. Sie wurde so ge­baut ab 1524 zum Schutz gegen See­räu­ber, nach­dem 1522 ein Erd­be­ben den Vor­gän­ger­bau und die Stadt zer­stört hatte.
Hier wer­den Inda­leti­us von Urci als ur­christ­li­cher Bi­schof und die Mär­ty­rer­bi­schö­fe Jakob Ven­ta­ja Milán sowie Ma­nu­el Me­di­na Olmos aus dem Spa­ni­schen Bür­ger­krieg ver­ehrt.

Die Stadt selbst hat wenig zu bie­ten, eine Ha­fen­stadt eben, von hier legen auch Fäh­ren nach Ma­rok­ko ab - ein biss­chen wie dort sieht es hier schon aus.

Gleich hin­ter Almería be­ginnt die Wüste: 180 Mil­li­me­ter Regen im Jahr - im All­gäu: 2600 Mil­li­me­ter - die re­gen­ärms­te Re­gi­on Eu­ro­pas. Hier wur­den un­zäh­li­ge Wes­tern ge­dreht, die Film-Dör­fer ste­hen noch und sind heute The­men­park mit Ein­tritt. Auch John Len­non dreh­te hier 1966 Wie ich den Krieg ge­wann und soll dabei Straw­ber­ry Fiel­ds Fo­re­ver ge­schrie­ben haben. Von Erd­bee­ren kann man hier nur träu­men …

Nicht weit ent­fernt von die­ser Wüste komme ich ins Bergstädt­chen Abla, wo Se­cun­dus Bi­schof war. Die Schnee­ber­ge grü­ßen wie in der Schweiz …

… nur wach­sen dort keine Oran­gen wie hier auf dem Markt­platz.

Die Ge­gend steht voll mit gro­ßen Wind­rä­dern, denn der bläst hier kräf­tig. Ich finde das nicht stö­rend, son­dern sinn­voll.

Mei­nen ver­spä­te­ten Mit­tags­schlaf mache ich neben der Plan­ta­ge für So­lar­ener­gie - eine rie­si­ge An­la­ge, nicht mit Fo­to­vol­ta­ik, son­dern mit ge­wölb­ten Spie­geln, die das Son­nen­licht auf ein in der Brenn­li­nie ver­lau­fen­des Ab­sor­ber­rohr bün­deln, des­sen Flüs­sig­keit zu Dampf wird und in der Zen­tra­le eine Tur­bi­ne an­treibt.

In Gua­dix be­ein­druckt die Ka­the­dra­le, ge­baut ab 1510 an der Stel­le der frü­he­ren Gro­ßen Mo­schee, von der noch Mau­er­res­te er­hal­ten sind.

Auch ein Re­likt aus der rö­mi­schen Zeit ist noch in der Mauer zu sehen.

Ganz neu da­ge­gen: das Denk­mal für die Sän­ger­kna­ben der Ka­the­dra­le von 2006.

Wie oft in der Ge­gend gibt es auch hier noch Höh­len­woh­nun­gen; das Ge­stein ist weich, die Höhle bie­tet som­mers wie win­ters an­ge­neh­me 20°.

Auch bei der Wei­ter­fahrt übers Land sieht man die in den Berg ge­bau­ten Höh­len­woh­nun­gen, nach vorne durch eine Fas­sa­de ab­ge­schlos­sen.

Ganz nahe sind die Berge, bis zu 3482 m hoch.

Ich fahre übers Land, weil im Dorf La Peza Mar­kus Cria­do sei­nen Mär­ty­rer­tod er­litt. In der Kir­che fal­len wie­der die ge­schmack­vol­len Pro­zes­si­ons­fi­gu­ren auf.

Die Land­schaft er­in­nert jetzt wirk­lich an Kap­pa­do­ki­en. Und ich nä­he­re mich Gra­na­da …

Sams­tag, 28. Fe­bru­ar bis Mon­tag, 1. März

Gra­na­da, ge­macht für Traum und Träu­me­rei, so der Dich­ter Fe­de­ri­co García Lorca, ist er­reicht. Am Be­ginn des Be­suchs steht na­tür­lich die Al­ham­bra, die ein­zi­ge kom­plett er­hal­te­ne his­to­ri­sche is­la­mi­sche Pa­last­an­la­ge der Welt - er­hal­ten, weil der letz­te Mau­ren­herr­scher, König Boab­dil, die Stadt 1492 kampf­los den spa­ni­schen Kö­ni­gen über­gab, um sie nicht zu zer­stö­ren.

Die Al­caz­aba, die Fes­tung und der äl­tes­te Teil des Kom­ple­xes. Es hat viele Tou­ris­ten, ich möch­te mir nicht vor­stel­len, wie es hier in der Sai­son aus­sieht.

Das Wein­tor.

Auch er­hal­ten: der mau­ri­sche Hamam, ge­baut ab 1302. Das ist des­halb be­mer­kens­wert, weil die Chris­ten die - rö­mi­schen oder mau­ri­schen - Ba­de­an­la­gen aus mo­ra­li­schen Grün­den nicht moch­ten und des­halb meist zer­stör­ten. Hy­gie­ne war ihnen nicht so wich­tig, galt als eitel.

Ab 1527 ließ Kai­ser Karl V. im Kom­plex der Al­ham­bra sei­nen Pa­last bauen, qua­dra­tisch mit 63 m Sei­ten­län­ge, heute Mu­se­um.

Das am Rande ste­hen­de frü­he­re Fran­zis­ka­nerklos­ter, zuvor Prin­zen­pa­last der Mau­ren, ist heute ein Hotel.

Auf dem ge­gen­über­lie­gen­den Hügel er­streckt sich der äl­tes­te Teil der Stadt, in rö­mi­scher Zeit Il­li­be­ris, spa­nisch El­vi­ra, mus­lisch Al­baicín; links die Kir­che San Mi­guel Bajo, rechts die Er­lö­ser­kir­che auf dem höchs­ten Punkt des Hü­gels an der Stel­le einer frü­he­ren Mo­schee, aus deren Mi­na­rett der Kirch­turm wurde, die ich - da am höchs­ten Punkt der Sied­lung - als Stel­le des Sit­zes des früh­christ­li­chen Bi­schofs Cä­ci­li­us von Il­li­be­ris ver­mu­te.

Am zum An­denken an Karl V. er­rich­te­ten Brun­nen gibt es auch heute noch Mus­li­me …

Di­rekt unter der Al­ham­bra steht im Zen­trum der Stadt die St.-An­na-Kir­che, ge­baut ab 1537 im Mu­déjar-Stil. Die Mu­déja­ren waren Mus­li­me, die zu­nächst nach der Re­con­quis­ta ihre Re­li­gi­on wei­ter aus­üben konn­ten.

Die rie­si­ge Ka­the­dra­le ist fünf­schif­fig, ge­baut ab 1521. Die Fas­sa­de hat die Form eines Tri­umph­bo­gens. Das Prunk- und Protz­bau­werk kos­tet - wie hier an­de­re Kir­chen auch - Ein­tritt: 5 €.

So wird Ja­ko­bus der Äl­te­re, der (an­geb­lich) sieg­rei­che Kämp­fer gegen die Mau­ren, an sei­nem Altar dar­ge­stellt.

Die frü­he­re Je­sui­tenkir­che, ge­baut 1575, seit 1799 Pfarr­kir­che, nach­dem die Je­sui­ten ein neues gro­ßes Ge­bäu­de ober­halb der Stadt be­zo­gen. Die Je­sui­ten be­trie­ben das große Kol­leg. Hier ist bis heute das Zen­trum der - nun welt­li­chen - Uni­ver­si­tät, der dritt­grö­ß­ten Spa­ni­ens mit 40.000 Stu­die­ren­den.

Gleich bei dem von Jo­han­nes von Gott ge­grün­de­ten, bis heute be­trie­be­nen Kran­ken­haus ist das schon gleich nach der Ver­trei­bung der Mau­ren ge­grün­de­te, Hie­rony­mus ge­weih­te Klos­ter.

Auch hier im Vor­hof: reife Oran­gen.

Im Stadteil Al­ba­c­in, dem äl­tes­ten Vier­tel, könn­te man heute noch mei­nen, man sei in einem ori­en­ta­li­schen Land.

Der Marsch durch den Stadt­teil Albacín ist wie­der müh­sam, weil er sich den Berg hoch­zieht. Nach­mit­tags um 15 Uhr hat es in der Stadt 26°! In den ru­hi­ge­ren Vier­teln wei­ter oben be­lohnt der Blick auf die ge­gen­über­lie­gen­de Al­ham­bra …

… und deren gro­ßar­ti­ger Gar­ten­an­la­ge Ge­ne­ra­li­fe, den Schil­de­run­gen der Pa­ra­dies­gär­ten im Koran nach­ge­bil­det.

San Juan de los Reyes war die erste Kir­che nach der Rück­erobe­rung 1492, vor­her na­tür­lich eine Mo­schee.

Der zen­tra­le Platz der Stadt mit dem Rat­haus. Afri­ka ist nah.

Die­ses Denk­mal wid­met Gra­na­da sei­nem be­rühm­ten Sohn Ye­hu­da ibn Tibon, einem jü­di­schen Phi­lo­so­phen, Über­set­zer und Dich­ter, † 1190. Unter den Mau­ren konn­ten Juden wie Chris­ten hier leben, sie hat­ten zeit­wei­se al­ler­dings eine Son­der­steu­er zu be­zah­len. Die Ver­fol­gung und Ver­trei­bung An­ders­gläu­bi­ger be­gann erst nach dem Sieg der Chris­ten.

Tracks gibt es keine - das Gerät will immer noch nicht.

ge­schrie­ben am 28. Fe­bru­ar und 3. März 2015


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