Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons
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Ostwärts!

   J. Schä­fer          

Mon­tag, 3. Juni

Ich habe das Wo­chen­en­de auch des­halb im schö­nen Muş ver­bracht, um am Mon­tag die große Ford-Werk­statt auf­zu­su­chen, denn ich habe den Ver­dacht, dass meine Brem­sen schlecht sind. So­fort emp­fängt mich dort ein jun­ger Me­cha­ni­ker, of­fen­bar sehr in­tel­li­gent und fähig, aber kein Wort Eng­lisch. Im Rei­se­füh­rer hatte ich nach­ge­schaut: fren­ler - ver­steht er aber nicht. Ich zeige aufs Pedal, so­fort macht er sich an die Ar­beit, tat­säch­lich sind die Schei­ben­brems­be­lä­ge fast ver­braucht - wozu war ich vor der Ab­rei­se bei In­spek­ti­on und TÜV? Eine hüb­sche junge Dame kommt, die kann Eng­lisch, ist aber so hei­ßer, dass sie kaum einen Ton her­aus­bringt. Wir gehen lange Wege in ihr Büro. Çaj für mich, den Me­cha­ni­ker, die junge Frau. Wir sit­zen. Sie tippt in den Com­pu­ter - was wohl, sie hat keine Pa­pie­re von mir. Sie tippt, er trinkt, ich warte. Wir gehen nach unten, ein Mann im schwar­zen Anzug mit Lack­schu­hen kommt auf mich zu, gutes Eng­lisch: 25 € für die Be­lä­ge an den Vor­der­rä­dern, ob das ok sei? Und ob! Der Me­cha­ni­ker macht sich an die Ar­beit. Die neuen Be­lä­ge pas­sen nicht in der Tür­kei haben wir an­de­re - kenne ich schon. Der Me­cha­ni­ker ver­sucht, sie pas­send zu frä­sen, was nicht ge­lingt. Sie wer­den ver­su­chen, die rich­ti­gen auf­zu­trei­ben, ich gehe mit dem Schwarz­be­frack­ten in sein Büro.


Çaj? No, thank you, i've got al­re­a­dy ... In Tur­key we are al­ways drin­king Çaj! Ein Mann bringt Tee für mich, für ihn. In der War­te­zeit te­le­fo­nie­re ich mit mei­nem Sohn in Köln, der er­zählt mir, in der Tür­kei gebe es Re­vo­lu­ti­on, das Fern­se­hen zeige Auf­stän­de in Ístan­bul und An­ka­ra, das Aus­wär­ti­ge Amt habe Tür­kei­rei­sen­de ge­warnt ... Ich habe nichts be­merkt - oder nur, dass ich vor­ges­tern eben kon­trol­liert wurde - und frage mein Ge­gen­über: Oh no, we love our pre­si­dent, only ten per­sons ... Er freut sich, dass ich Erdoğans Namen kenne, be­tont den Wirt­schafts­er­folg: sie hät­ten keine Krise und keine ge­habt, an­ders als Eu­ro­pa ... Es gilt auch für die Tür­kei: It's the eco­no­mics, stu­pid! *

Nach einer Stun­de kommt der Fir­men-Lie­fer­wa­gen auf den Hof, der Me­cha­ni­ker holt mich, te­le­fo­niert, hält mir sein Handy hin, ich höre auf Eng­lisch: Keine Be­lä­ge ge­fun­den, aber ich könne pro­blem­los mit den alten nach Van fah­ren, die hät­ten wel­che; dass ich dort­hin will, wis­sen sie. Der Me­cha­ni­ker mon­tiert die alten Be­lä­ge wie­der und gibt mir sein Handy: dar­auf eine eng­li­sche SMS: ich könne pro­blem­los ... Der Mann in Lack­schu­hen kommt, ich frage nach dem Preis: Not­hing, we couldn't help you. Ich ver­wei­se auf ihre Ar­beit, zwei Stun­den Me­cha­ni­ker (von den an­de­ren nicht zu reden), er wie­der­holt: Not­hing, we didn't chan­ge any­thing. Das werde ich zu­hau­se mei­ner Werk­statt er­zäh­len!
Dem Sul­tan Al­pars­lan, Sul­tan der Groß-Seld­schu­ken von 1063 bis 1072, setz­te die Stadt Muş die­ses Denk­mal; sol­che Mo­nu­men­tal­denk­ma­le gibt es in jeder Stadt.

Ich mache einen letz­ten Ver­such, die­ses Klos­ter zu fin­den - er­folg­los. Die­ser Jo­han­nes der Täu­fer war schon immer ein wi­der­spens­ti­ger Knabe.
Also auf nach Van, die Fahrt geht durch die Berge, es win­det, ja stürmt. Dass es hier im Win­ter viel Schnee gibt weiß ich; wie viel das sein muss, be­wei­sen meh­re­re Ei­sen­bahn­tun­nel mit­ten in der Hoch­ebe­ne; aber sie liegt auch fast 2000 Meter ü.d.M.

Kurz vor Van liegt die Hei­lig-Kreuz-Kir­che auf der Insel Ak­da­mar im Van-See, er­baut 915 bis 921 und auf An­ord­nung des Kö­nigs von Va­spu­ra­kan, Gagik I., 1131 mit einem Klos­ter er­gänzt. Das Fürs­ten­tum Va­spu­ra­kan wurde nach 800 in der Ge­gend um Van ge­grün­det. 908 wurde Va­spu­ra­kan Kö­nig­reich. Die Ein­fäl­le der Tür­ken ab 1018 führ­ten 1021 zur Ein­glie­de­rung Va­spu­ra­kans an das By­zan­ti­ni­sche Reich, das die stärks­te nicht­mus­li­mi­sche Kraft der Re­gi­on war. Va­spu­ra­kan gilt als die Wur­zel ar­me­ni­scher Kul­tur.

Auf Ak­damr gab es bis 1895 ein Ka­tho­li­kat der Ar­me­ni­schen Kir­che, das die Tür­ken dann mit dem Be­ginn der Ver­fol­gun­gen des Vol­kes aus­lösch­ten. Heute ist die gut er­hal­te­ne Kir­che eine Se­hens­wür­dig­keit, viel­fach tou­ris­tisch ver­mark­tet.
Das Win­ter­bild von der Kir­che auf der In­fo-Ta­fel lässt die Schnee­mas­sen des Win­ters er­ah­nen.

Wir waren vor 23 Jah­ren auch schon in Van, ich habe es als klei­ne Pro­vinz­stadt in Er­in­ne­rung mit einem - na ja: Cam­ping­platz di­rekt am See. Jetzt ist es eine pul­sie­ren­de Groß­stadt, Hoch­häu­ser, rie­si­ge Ge­wer­be­ge­bie­te, Ein­kaufs­zen­tren, Ver­gnü­gungs­mei­len am See, Ho­tels, brei­te Stra­ßen. Wenn - was ich im Mo­ment nicht weiß - die Wirt­schafts­ent­wick­lung in der Tür­kei vor­her ähn­lich war wie in den letz­ten zehn Jah­ren, dann heißt das: seit da­mals mehr als eine Ver­fünf­fa­chung des wirt­schaft­li­chen Ni­veaus! Ent­spre­chend hek­tisch ist der Ver­kehr und die Leute **.
Ich über­nach­te im Hafen mit Blick auf die alte Fes­tung.

Diens­tag, 4. Juni

Am Mor­gen fahre ich zur Ford-Werk­statt (mit 40 He­be­büh­nen bzw. Werk­statt­plät­zen): die Brem­sen. Der Kos­ten­vor­an­schlag - schrift­lich - lau­te­te auf eygh­gtg eygh­gt - pro, ich ver­stand 80 Lira pro Seite, also 160 - in Muş soll­ten es nur 100 sein - immer noch ein sa­gen­haf­ter Su­per-Preis. Nach gut vier Stun­den - weil sie die eu­ro­päi­schen Teile erst ir­gend­wo holen muss­ten, was zwei Stun­den dau­er­te -, al­ways Tee, einem Mit­tag­es­sen in der Fir­men-Kan­ti­ne, einer noch hüb­sche­ren Bü­ro-Da­me (aber mit Kopf­tuch), den In­ter­net-Zu­gangs­da­ten un­ge­fragt, einer End­kon­trol­le aller Funk­tio­nen am Auto durch einen Wei­ßkit­tel, vier neuen Rad­mut­tern, weil meine Alu­mi­ni­um-Mut­tern den Schlag­schrau­bern auf Dauer nicht stand­hal­ten, und einer Wa­gen­wä­sche nicht nur außen, son­dern auch innen, be­zahl­te ich 88 Lira - 35 Euro, 22 € für vier Brems­be­lä­ge, 6 € für die Ar­beits­zeit, dazu die Mehr­wert­steu­er. 35 € hatte ich der­einst zu­hau­se al­lei­ne für drei (!) Rad­mut­tern be­zahlt. Dass die Lei­den mei­ner Kiste damit noch kein Ende hat­ten, wuss­te ich noch nicht ...

Auf der Fahrt nach Başkale geht es wie­der durch die Berge, vor­bei an die­sem Stau­see mit Fisch­zucht. Die ge­rühm­ten Fi­sche des Van-Sees - ich habe ges­tern Abend einen ge­ges­sen, di­rekt am Fi­scher­boot, wirk­lich le­cker - kom­men, ver­mu­te ich, hier­her; der See ist, je­den­falls um Van herum, un­säg­lich ver­schmutzt, da leben keine Fi­sche ...

Ich komme zur Ruine der Burg Hoşap.

Bei der An­fahrt: immer wie­der - ob auf 4-spu­ri­gen Haupt- oder klei­nen Ne­ben­stra­ßen - zie­hen Schaf­her­den durchs Land.

Der Ein­gang zur Burg, die 1643 von Kur­den­füh­rer Mahmu­di Sü­ley­man Bey'in ge­grün­det wurde und einst 300 Zim­mer, drei Bäder, Vor­rats­kam­mer, Ker­ker und zwei Mo­sche­en be­inhal­te­te.

Im In­ne­ren der Burg gibt es außer tür­ki­schen (kur­di­schen?) Tou­ris­ten nur noch wenig zu sehen ...

... aber als ich zum Ein­gang zu­rück­keh­re eine Fa­mi­lie aus dem Iran bei der Mit­tags­rast. Die Gren­ze ist nicht mehr weit.

Der Blick vom Vor­platz zeigt die Vor­burg auf dem nächs­ten Berg und bei ge­nau­em Hin­schau­en die Mauer, die sich weit um die An­la­ge zog, darin das heu­ti­ge Bau­ern­dorf.

Die Stra­ße führt wei­ter über den Gü­zel­de­re-Pass auf 2730 Me­tern - fast so hoch wie die höchs­ten Al­pen­päs­se, aber in der Tür­kei gibt es meh­re­re in die­ser Höhe; auch hier oben leben im Som­mer Men­schen.

Die Frau­en wa­schen im Berg­bach die Wä­sche ...

... der Mann ???

Kurz vor Başkale biege ich von der Haupt­stra­ße ab ins Dorf Al­bay­rak, in dem die Ruine einer be­rühm­ten Klos­ter­kir­che steht, wo Re­li­qui­en von Bar­tho­lo­mä­us ver­ehrt wur­den, und nehme einen Tram­per mit. Er stellt sich als teacher vor. Do you speak English? freue ich mich; no - wie sich her­aus­stellt: ein paar we­ni­ge Sätze. Aber er führt mich zur Kir­che, die mit­ten in einer auf­ge­ge­be­nen Ka­ser­ne liegt - vor dem Ort steht jetzt eine na­gel­neue - und holt die Ge­neh­mi­gung beim Wäch­ter.

Leh­rer (rechts) und Wäch­ter dis­ku­tie­ren um die Be­sich­ti­gungs­ge­neh­mi­gung.

Auf dem Berg­rü­cken ist die Gren­ze zum Iran, des­halb die Ka­ser­ne auf dem dies­sei­ti­gen Hügel. Dass die Kir­che in der Ka­ser­ne liegt, hat wahr­schein­lich ihren (re­la­tiv) guten Zu­stand be­wirkt: die Bau­ern konn­ten deren Stei­ne nicht für ihre Bau­ten weg­neh­men.

der Chor­raum

Kurz vor Başkale licht­hupt mir ein Ent­ge­gen­kom­men­der und macht ein Hand­zei­chen. Soll­te an mei­ner Kiste ...? Nein, es scheint alles in Ord­nung, der Grund kam wohl ein paar Ki­lo­me­ter wei­ter: eine wilde Ge­stalt hält mich vors Auto sprin­gend an: er will mir Treib­stoff ver­kau­fen. Der ist im Iran zwar knapp, aber spott­bil­lig - und wird of­fen­bar ge­schmug­gelt. Aber die­ses Ge­schäft ist mir zu un­si­cher, wer weiß, wel­chen Saft er ver­kauft, und mir hat es in der Ge­gend zu viel Jan­darma, die häu­fig kon­trol­liert. Wenig spä­ter kommt schon der nächs­te Schmugg­ler.
Der Fried­hof in der Stadt, die nicht der Nabel der Welt ist. Fried­hö­fe sind hier in der Regel in kei­nem guten Zu­stand.

Auf dem Rück­weg wird an der Pass­stra­ße der Ver­kehr wegen einer Bau­stel­le an­ge­hal­ten und es er­gibt sich die ty­pi­sche tür­ki­sche Ver­kehrs­si­tua­ti­on: wo 10 cm Platz sind, wird der aus­ge­nutzt. Auf einer zwei­spu­ri­gen Stra­ße ste­hen z. B. vor der roten Ampel die Autos vier­spu­rig. Es wird grün - und hin­ter der Kreu­zung ist die rech­te Spur na­tür­lich wie immer zu­ge­parkt - also stellt sich die Frage, wel­cher der vier als ers­ter ... usw. usf. Ver­fah­ren wird nach ita­lie­ni­schem Prin­zip: der schnells­te und / oder Mu­tigs­te kommt zu­erst, der Zag­haf­tes­te zu­letzt, in­zwi­schen über­holt von den ers­ten der vier, die in der zwei­ten Reihe war­te­ten. So auch hier: auf der ab­wärts füh­ren­den Stra­ße war ja wegen der Sper­rung die linke Spur frei, wurde also zu­ge­stellt. Als dann die Berg­auf­fah­ren­den zu­erst los­fah­ren durf­ten, reich­te der Platz für die LKWs nicht mehr; alles stand wie­der, bis mit Rück­wärts­fah­ren und Ran­gie­ren unter An­lei­tung des Ab­sperr­pos­tens und nach vie­lem Hupen die Lö­sung mög­lich wurde. Zeit ge­won­nen hat kei­ner, alle haben ver­lo­ren, aber die Männ­lich­keit hat sich wie­der ein­mal ein­drück­lich be­wei­sen kön­nen ...

Am Abend - das Bild ist vom nächs­ten Mor­gen - suche ich mir für die Nacht wie­der den Hafen aus, dies­mal die Stel­le, an der die Ei­sen­bahn- und Au­to­fäh­re über den See in Van an­lan­det. Im Win­ter fährt diese Fähre, weil die über einen Pass füh­ren­de Stra­ße vom Schnee be­deckt ist. Als ich an­kom­me, freut sich ein gut ge­klei­de­ter äl­te­rer Herr: er fährt ein deut­sches Auto (Mer­ce­des), ich als Deut­scher ein tür­ki­sches. Ich er­klä­re ihm mit Hilfe sei­nes eben­falls Mer­ce­des-fah­ren­den Freun­des - sicht­lich ein In­tel­lek­tu­el­ler, der bes­ser als ich Fran­zö­sisch spricht - , dass es Ford nicht nur in Ístan­bul, son­dern auch in Köln gibt - das will er kaum glau­ben. Er ist üb­ri­gens erst der zwei­te, der sich mir de­zi­diert und stolz als Kurde vor­stellt.

Mitt­woch, 5. Juni

Am Mor­gen be­su­che ich die alte Fes­tung in Van Am Ein­gang der üb­li­che Ver­gnü­gungs­park, darin die­ses als ty­pi­sches Haus eines wohl­hab­den­den Bür­gers vor­ge­stell­te Ge­bäu­de ...

.... und wie man in der Tür­kei einen Park ge­stal­tet.

Die da­mals Tush­pa ge­nann­te Fes­tung und Stadt wurde von den Ura­tä­ern ge­grün­det, die dort im 9. bis 7. Jahr­hun­dert v.​Chr. re­gier­ten. Sie konn­ten Eisen be­ar­bei­ten und stell­ten so Waf­fen und Schmuck her (Schmuck, das sind ja Waf­fen der Frau, also: sie be­nutz­ten ihre Tech­no­lo­gie aus­schlie­ß­lich für krie­ge­ri­sche Zwe­cke ). Dann kamen Per­ser, spä­ter Ot­to­ma­nen ... Im 11. Jahr­hun­dert wurde hier die To­cher der Kö­nigs von Va­spu­ra­kan und spä­te­re ge­or­gi­sche Kö­ni­gin Ma­ri­am De­do­pa­li ge­bo­ren.

Von der alten Stadt sind un­ter­halb der Burg auf der an­de­ren Seite we­ni­ge Reste er­hal­ten.

Ich suche auf Feld­we­gen süd­lich der Stadt im herr­li­chen Berg­land das frü­he­re Klos­ter Va­ra­va­rank aus dem 8. Jahr­hun­dert, das sie­ben Kir­chen hatte, tür­kisch yedi ki­li­se. Der Mönch und Kir­chen­leh­rer der Ar­me­ni­schen Kir­che, Gre­gor von Narek, wirk­te hier und starb hier 1003; das Klos­ter besaß Re­li­qui­en der Mär­ty­re­rin Hrip­si­me.

Die Durch­fahrt durch ein Bäch­lein kos­tet mich das rech­te Drit­tel mei­ner Stoß­stan­ge. Aber ich war erst ges­tern in der Werk­statt ... Und es fehlt nur Plas­tik, tech­nisch ist alles ok.
Auf allen Rei­sen hatte ich - mit einer klei­nen Aus­nah­me - nie Pro­ble­me mit dem Auto - und jetzt jeden Tag in die Werk­statt? Hat die Kiste mich nicht mehr lieb? Ich habe sie doch so ein­fühl­sam um die meis­ten der 27.000 Qua­dril­lio­nen von Schlag­lö­chern her­um­ge­kurvt, an fast allen Fart­hin­dern vor­her ge­bremst, sie ge­putzt und ge­wa­schen, ihr jede Menge zu Trin­ken ge­ge­ben - soll das der Dank sein?

Von den sie­ben Kir­chen sind Reste von vier Kir­chen er­hal­te, aber davon auch fast nichts. Die Klet­te­rei er­spa­re ich mir.

Doch Re­vo­lu­ti­on in der Tür­kei? In der Stadt Van steht auf­fäl­lig viel Po­li­zei und meh­re­re Was­ser­wer­fer. (Die Po­li­zei hat in der Tür­kei weiße Autos, die Jan­darma auch brau­ne, ge­pan­zer­te Jeeps [ganz rechts].) Dass ich ei­ni­ge Tage spä­ter mit­ten­drin sein würde, wuss­te ich noch nicht ...

Ich fahre nach Nor­den, die Gren­ze zum Iran ist nicht weit, und im tür­ki­schen Städt­chen Ҫaldıran sieht die Ein­fahrt auch schon aus als ob ...

Ich bin auf fast 2000 Me­tern Höhe, den­noch schmilzt der Teer auf der Stra­ße - au­pas­sen, Rutsch­ge­fahr!

Die Berge hier sind vul­ka­ni­schen Ur­sprungs und hier sieht es so aus, als sei die Lava ges­tern ge­flos­sen. Lange kann es auch nicht her sein, denn sie ist noch nicht be­wach­sen.

Auf den Hü­geln rechts der Stra­ße reiht sich Ka­ser­ne an Ka­ser­ne, ziem­lich neu alle; hin­ter dem Berg­kamm ist das Aus­land. Die sun­ni­ti­sche Tür­kei scheint sich mit aller Kraft gegen den Iran zu wapp­nen; das Mi­li­tär ver­steht sich hier seit je her als Ga­rant der lai­zis­ti­schen Tür­kei Kemal Ata­türks; die Tür­kei fürch­tet of­fen­sicht­lich den schii­ti­schen Fun­da­men­ta­lis­mus mehr als der Teu­fel das Weih­was­ser ... Aber wegen ei­ni­ger Wäh­ler­stim­men vom Stamm­tisch ver­wei­gert die deut­sche Po­li­tik der Tür­kei die dafür ei­gent­lich fäl­li­ge An­er­ken­nung.

Nach der Pass­hö­he mit 2595 Me­tern kommt er in Sicht, wol­ken­um­schlun­gen, 5165 Meter hoch: der Ara­rat.

Im Dorf sind die Frau­en flei­ßig und - na klar: put­zen.

Öst­lich des gro­ßen er­hebt sich der klei­ne Ara­rat mit 3925 Me­tern.

Die Se­hens­wür­dig­keit in Doğubeyazıt ist der Pa­last des os­ma­ni­schen Ver­wal­ters İshak Paşa aus dem Jahr 1784 mit einer Größe von 115 x 50 Me­tern, da­mals im Zen­trum der am Berg lie­gen­den Stadt er­baut mit meh­re­ren Eta­gen, Hei­zung und flie­ßen­dem Warm- und Kalt­was­ser. Von die­ser Fes­tung wurde der Ver­kehr auf der im Tal ent­lang­füh­ren­den Sei­den­stra­ße kon­trol­liert - und na­tür­lich ab­kas­siert.
Und eben­so na­tür­lich sind auch die ers­ten Tou­ris­ten­bus­se schon hier.

das Por­tal vom In­nen­hof zum Pa­last

ein Grab­mal

der Spei­se­saal

einer der ins­ge­samt fünf Räume des Ha­rems

die Ge­birgs­land­schaft um den Pa­last, der in 2000 m Höhe liegt

der Pa­last in sei­ner gan­zen Größe ...

... und von unten, vom Cam­ping­platz aus. Es gibt zwei Cam­ping­plät­ze in Doğubeyazıt; der eine di­rekt un­ter­halb des Pa­las­tes hat seit vie­len einen Namen bei den wei­ter gen Osten Rei­sen­den, der an­de­re, neue­re, schien mir schö­ner.

Auf bei­den Plät­zen gab es außer mir keine Cam­per, son­dern - auch unter der Woche - viele Ein­hei­mi­sche, die ihren Wohn­blocks ent­flie­hen und hier ihre Frei­zeit ver­brin­gen: es gibt Schat­ten, man kann gril­len und Fuß­ball spie­len. Der neue Platz wird von einem jun­gen Tür­ken und einem äl­te­ren Hol­län­der ge­führt, der frü­her Arzt war.

In Doğubeyazıt muss­te ich mich ent­schei­den: fahre ich wei­ter ost­wärts, nach Ar­me­ni­en und Ge­or­gi­en? Aber ich hatte weder Rei­se­füh­rer noch Land­kar­te, keine Na­vi-Map und keine Un­ter­la­gen fürs Hei­li­gen­le­xi­kon. Au­ßer­dem brauch­te ich in ab­seh­ba­rer Zeit ein­mal eine Wasch­ma­schi­ne und die Hoff­nung, hier eine zu fin­den, trog ...

Trotz der gran­dio­sen Abend­stim­mung war die Ent­schei­dung des­halb doch schnell klar: ich fahre in den Wes­ten, an die tür­ki­sche Mit­tel­meer­küs­te, dort gibt es sehr vie­les zu ent­de­cken - und ich kann dort sein noch im Juni, vor den gro­ßen Tou­ris­ten­strö­men und der gro­ßen Hitze.

* Das sagte be­kannt­lich des­sen Be­ra­ter zu US-Prä­si­dent Bill Clin­ton, als der nach Le­wis­ky-Af­fä­re an sei­nen Chan­cen auf Wie­der­wahl zwei­fel­te. Der Satz ist zwei­fach zu über­set­zen: ent­we­der es kommt ganz ein­fach auf das wirt­schaft­li­che Wohl­er­ge­hen der Leute an! oder auch es kommt (doch nur) auf das wirt­schaft­li­che Wohl­er­ge­hen der Leute an, du Dumm­kopf!. Des­halb wird auch Frau Mer­kel im Sep­tem­ber ...

** Etwas frei­er könn­te man den Clin­ton-Satz des­halb auch über­set­zen: das wirt­schaft­li­che Wohl­er­ge­hen (macht) die Leute blöde.

Die Tracks:
Van
Başkale
Doğubeyazıt

ge­schrie­ben am 5. / 6. und 10. Juni 2013



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