Mittwoch, 1. Mai
Nach frühem Aufstehen - um 8 Uhr musste ich in der Agentur sein für das Fährticket nach
Kythira - folgte die gut einstündige Überfahrt
auf die Insel mit einer fast leeren Fähre. Mit Einchecken sind das fast zwei Stunden Langeweile; mein Büchervorrat geht
zur Neige - ich lese gerade ein mäßig spannende Romanbiografie des kubanischen Autors Leonardo Padura über das Schicksal
von Leo Trotzki mit dem Titel
Der Mann, der Hunde liebte
- das war Trotzkis Auftragskiller.
Mein erstes Ziel auf Kythira war das Kloster
bei Pitsinades, das aus der Einsiedelei von
Theodor von Kythira wuchs. Auch hier
zeigt sich wieder: Klöster machen hier den Eindruck von Bauernhöfen - oder Wehrburgen.
Herrschaftlich allerdings ist das Wappen aus der Zeit der
venezinischen Besatzung über dem Eingang zum
Katholikon.
Kurz vor dem Kloster fotografiere ich eine der unzählig vielen kleinen Kapellen, die es überall gibt. Wo einmal eine Kirche
oder Kapelle stand, wird sie offenbar auf jeden Fall erhalten - eine Frage des Respektes. Und wenn auch kaum benutzt wie
dieses besonders kleine Beispiel, birgt sie
einige Ikonen und Kerzen, die auf Beter warten.
Was ich besonders liebe: vor Ort suchen müssen. Und ganz besonders, wie in diesem Fall: etwas, das es wahrscheinlich gar
nicht gibt: das Kloster - oder dessen Reste -, das
Anthimos der Blinde angeblich im Ort
Livadi gründete und
Johannes dem Vorläufer weihte - so
wird er hier allgemein bezeichnet, nicht als
der Täufer
. Bei der Fülle der Kirchen und Kapellen ist solches Suchen
eine besondere Herausforderung.
Diese Kirche, die Pfarrkirche im Teilort
Fatsadika , ist es jedenfalls nicht, sie ist - wie viele Kirchen hier - den
Heiligen Ärzten geweiht.
In der Gasse zur Kirche: Feiertags-Leben.
Die Gesuchte ist auch nicht diese hier, sie ist die frühere
Metropolitankirche und
Georg geweiht …
… und nicht diese Kirche in Ano Livadi.
Auch andere, die ich finde, sind keine
Johanneskirchen, auch die Webseite der
Metropolie kennt keine: die zu lesenden Angaben in
Anthimos' Biografie sind offenbar falsch,
so wie schon jene über ein Kloster in Chora
Sfakion.
Nicht gesucht, aber zufällig gefunden: diese
Dimitrios-Kirche, genauer ein Komplex aus von
vier Kirchen aus dem 13. Jahrhundert mit drei Schichten von Fresken aus dem 13./14 Jahrhundert, eine der besonderen
Sehenswürdigkeiten auf Kythira.
Geschlossen ist das Kloster Agia Elessa hoch auf
dem Berg, denn es wird nur von Pilgern benutzt während einer 15 Tage währenden besonderen
Wallfahrt im August.
Von hier oben, rund 440 m hoch, blickt man weit über die Insel und ganz hinten auf die Berge des Festlandes.
Auf dem Hauptplatz im Ort Kythira: Denkmal für
Spyridon Stais, † 1931, Parlamentsmitglied und Erziehungsminister, den siegreichen letzten griechischen Duellantan - dann
wurde das verboten -, und seine Frau Maria Stai, † 1960, die Stipendien für Studenten der Insel vergab.
Der der Insel namengebende Ort liegt direkt am Meer, aber 200 m hoch, die Festung noch etwas höher. Genau in der Bildmitte
sieht man eine der vielen Kirchen, die die Burg und den Abhang bevölkern, sie ist
Johannes geweiht - aber eben nicht dem
Prodromos.
Unten liegt der Naturhafen.
Auch das beeindruckend am Fels
hängende
Kloster
Johannes an den Klippen
ist dem Evangelisten
geweiht; der örtlichen Überlieferung zufolge lebte er hier, bevor er nach
Patmos .
Ideal: der Naturhafen …
… und darüber der Festungsfels.
Schon Kaiser Friedrich I. Barbarossa
war hier, unterwegs beim
3. Kreuzzug mit einem Heer von 15.000 Mann,
dem größten, das je zu einem Kreuzzug aufbrach, und tötete auf der Insel 7000 Menschen (heute hat die Insel knapp 4000
Einwohner ) - nicht die einzige Blutspur, die er in Griechenland hinterließ. Mir hat man damals im Geschichtsunterricht
beigebracht, was für ein großartiger Herrscher er war - Fakeolds!
Nahe des Fährhafens auf der Nordseite der Insel
kann man sehen, dass das Meer auch nahe der Küste gefährlich sein kann; das Schiff
Zefyros
, angeblich ein deutsches
Schiff, nach Ruderschaden gestrandet, liegt schon über zehn Jahre hier; ein Restaurant am Strand hat sich nach ihm benannt,
aber auch das ist inzwischen nur noch ein Wrack.
Auf der Rückfahrt ist die Fähre nun proppenvoll - die Feiertage gehen heute zu Ende, die Leute gehen vom Heimatbesuch
nach Hause -, richtigerweise hatte ich das Ticket schon am Morgen gekauft.
Mir reicht es gegen Abend noch für den Besuch in Monemvasia; aus dem
Stadttor, dem einzigen Zugang -
Monemvasia
heißt nur ein Zugang
- quellen die Mengen der Besucher auf dem Rückweg.
Die gut erhaltene mittelalterlich Stadt mit ihren engen Gassen ist komplett autofrei, in den Mauern leben noch gut 50
Menschen, die meisten sind in die neue Siedlung Géfira auf dem Festland gezogen. Leben bringen die Massen an Touristen,
die in den zu Hotels ausgebauten Häusern Unterkunft finden und die vielen Tagesbesucher, die sich in den Bars und
Souvenirshops vergnügen - auf den ersten Metern wirkt die Gasse wie eine Amüsiermeile, erst weiter hinten wird's ruhiger.
Wegen ihrer Lage auf der Felseninsel - nur durch einen Damm mit dem Festland verbunden - und der eingemauerten Unterstadt
sowie der hoch erhabenen Oberstadt galt Monemvasia lange als uneinnehmbar. Auch die Türken konnten sie den damaligen
venezianischen Herrschern nicht entreißen - aber
1715 teuer abkaufen. Erst im griechischen Befreiungskampf 1821 gelang den Hellenen nach viermonatiger Belagerung die Einnahme
der Stadt, die Türken mussten sich - wie auch sonst vom Peloponnes
- zurückziehen.
Die Ikonostase der Hauptkirche
Elkomenos Christos
, Gegeißelter
Christus
;
Johannes von Monemvasia ist hier
aufgewachsen, Leontios von Monemvasia
hier geboren, Johannes von Tourkoleka
wurde hier enthauptet.
Nur noch wenige Besucher gelangen ans Ende der Stadt zur Kirche
Panagia Chrysafitissa, benannt nach dem Ort
Chrysafa bei Sparta, aus dem die wunderwirkende
Ikone der
Allerheiligsten (Gottesmutter) stammt, die man hier fand.
Theodor von Kythira lebte eine Zeit lang
hier als Rekluse.
Es gab zur Blütezeit 40 Kirchen in Monemvasia bei 60.000 Einwohnern, darunter diese
Andreas geweihte
Kirche mit
Ikonen von um 1400.
Hoch oben in der Oberstadt: das Haus des
Kommandanten, in dem Johannes von
Tourkoleka gefangen gehalten wurde.
Dass Monemvasia
ein Tor
hat, stimmt nicht ganz: oben am Berg gibt es ein zweites, durch das ich jetzt gekommen war.
Donnerstag, 2. Mai
Das ist die Georgskirche in Karioupoli, erreicht
nach langer Fahrt in die Berge auf der Halbinsel Mani. Aber: das war auch vor 280 Jahren keine Bischofskirche und sie stammt
nicht aus dem 14. Jahrhundert, ist also nicht die, an der
Ananias von Lakedaimon residierte.
Dabei passt die Gegend: etwas oberhalb erkenne ich die
Burg, heute zum Ferienhaus ausgebaut. Wie ich
jetzt weiß, war das die Festung Kavallierakis, damals Trutzburg gegen Eindringlinge auf die Halbinsel
Mani.
Auch andere Kirchen in der Gegend kommen nicht in Frage. Bei der nachträglichen aufwändigen Recherche finde ich dann
den richtigen Standort - der Ort wurde vor 1749,
also offenbar unter Ananias, an den heutigen Standort verlegt.
Wieder einmal zeigte sich, dass die Recherche vor Ort durch nichts zu ersetzen ist; erst am Objekt stellt sich heraus,
ob die Angaben, die allgemein alle voneinader abschreiben, stimmen können.
Auf der Rückfahrt aus dem einsamen Bergdorf mache ich dieses Foto: es zeigt, dass hier der kleinste Weiler mit Glasfaser
ans Internet angeschlossen ist. Wie in Italien und Spanien fräst man einfach einen kleinen Schlitz in die Straße - übrigens:
immer an der Bergseite, die Talseite kann oft abrutschen -, legt in 10 cm Tiefe das Kabel und ist fertig. In Italien wird
der Schlitz noch nicht einmal mit Makadam verschlossen, Sand genügt dort, denn der Schlitz ist ja schmäler als Autoreifen
- und wer fährt schon Fahrrad. Einfache Lösung, aber wirksam: Internet an jede Milchkanne!
Teuer - 12 € Eintritt - aber immer wieder lohnend: die Ruinen des im 13. Jahrhundert durch Teilnehmer am
4. Kreuzzug gegründeten
Mystras; ich war
1993 schon einmal hier. Trotz des hohen
Eintrittsgeldes sind die Öffnungszeiten
abhängig von Verfügbarkeit von Personal
- das meint die durch die
Institutionen
der EU nach der Finanzkrise verordneten Sparmaßnahmen. Parkplätze gibt's auch keine - ich parke
griechisch
.
Das Innere der Demetrius-Kathedrale;
Ananias von Lakedaimon war hier
Metropolit, Demetrios vom Peloponnes
wurde hier gefangen genommen.
Eindrücklich: die Fresken …
… und Ikonen - blöd nur: ich kann die Schrift oft
nicht entziffern.
Leicht zu erkennen: das Relief des Pantokrators
im Museum, das aber nicht allzuviel zu bieten hat.
Als ich am Zugang zu den Ausgrabungen des alten Sparta stehe, spüre ich die EU-Spardiktate ganz direkt: das Schild meldet
Öffnungszeiten zwischen 8 und 20 Uhr, aber Tor und Tür sind verschlossen. Ich stapfe durchs hohe Gras - die Insekten
aufscheuchend - in die Nähe des Gesuchten und sehe dann: innen gehen Menschen. Es muss einen anderen Zugang geben. Den
finde ich schließlich nach einer halben Stunde am anderen Ende des Geländes. Der neue Zettel meldet: offen von 8.30 bis
16 Uhr (auf Griechisch), von 8.30 bis 15 Uhr (auf Englisch); das Kassenhäuschen ist unbesetzt, obwohl gar nicht wenige
Menschen das Gelände besuchen. Hauptsache:
gespart
! Ich aber sehe nun nicht nur die
Basikika, an der
Theokletos von Sparta Metropolit war und die lange
Nikon Metanoites zugeschrieben wurde, sondern erhalte auch viele
hilfreiche Informationen dazu.
Groß, aber wenig spektakulär: die verschlossene, Nikon Metanoites
geweihte Metropolitankirche im neuen Sparta, ab 1834 neu gegründet durch den hellenophilen bayerischen König Ludwig I, den
Vater von Otto I., der dann König von Griechenland war.
Ein richtig schönes Dorf ist am Anstieg zu den nördlichen Ausläufern des Taýgetos-Gebirges - dessen höchster Berg weiter
südlich 2407 m hoch ist - Kastorio, wo
Theoklitos von Sparta geboren wurde.
Dann geht es über die Bergkette; auch der Peloponnes hat tiefe
Schluchten …
… und herrliche Aussichten auf der Straße über den über 1300 m hohen Pass …
… nach Artemisia, wo Elias von
Artemisia geboren wurde. Auch hier muss ich wieder suchen, denn auch dieser Ort wurde im Lauf der Zeit verlegt; ich
brauche die Kirche der aufgegebenen
Unterstadt
;
diese im heutigen Ort ist es jedenfalls nicht.
Was ich finde: dieses offensichtlich benutzt Backhaus …
… und dann den Blick auf das Gesuchte: die erhaltenen Kirchen des früheren
Artemisia unterhalb des höher gelegenen neuen
Ortes. Um dorthin zu wandern, reicht die Zeit nicht mehr, ich will heute noch nach Koroni auf den
Campingplatz. Dort bin ich wieder (fast)
alleine, die Feiertage sind vorüber und allzuviele Touristen gibt es hier weit im Süden des westlichsten
Peloponnes-Fingers nicht
Freitag, 3. Mai, bis Sonntag, 6. Mai
Nach dem Ende der Feiertagsserie verschlechtert sich das Wetter wieder - egal, ich muss arbeiten und immerhin ist es
angenehm warm - für Stuttgart sagt die Zeitung
Schnee voraus: im Mai!!
Bei der Recherche erkenne ich: Caesar von
Durrës, der möglicherweise Bischof von Asini war, ist nicht hier in
Koroni zu verorten, sondern
Asini waren die heutigen Ruinen in Tolon bei
Nafplio - 300 m davon entfernt war ich zehn Tage lang auf dem
Campingplatz. Künstlerpech!
Tracks
Monemvasia
Koroni
Logbuch Reiselogbuch-2019-1-6
geschrieben am 3., 4, und 5. Mai 2019