Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons
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Fast schon spanisch

   J. Schä­fer          

Don­ners­tag, 8. Mai

In Frank­reich ist Fei­er­tag, das nutze ich zum Be­such in Mont­pel­lier; große Städ­te an Sonn- und Fei­er­ta­gen zu be­su­chen, hat sich be­währt: Ver­kehrs- und Park­platz­si­tua­ti­on sind sehr viel ent­spann­ter.
Die im 14. Jahr­hun­dert ge­bau­te Ka­the­dra­le - ver­an­lasst von Papst Urban V. - prä­sen­tiert sich ge­wal­tig; lei­der ist sie an staat­li­chen Fei­er­ta­gen ge­schlos­sen.


Die gleich­zei­tig, eben­falls auf In­itia­ti­ve die­ses Paps­tes ge­grün­de­te, da­ne­ben lie­gen­de Uni­ver­si­tät ist die dritt­äl­tes­te in Frank­reich.

In der Stadt gibt es präch­ti­ge Hôtels - das ist die Be­zeich­nung herr­schaft­li­cher Pri­vat­häu­ser ...

... und die üb­li­chen engen, mit­tel­al­ter­li­chen Stra­ßen.
In den gro­ßen Städ­ten sind diese na­tür­lich Fu­ßgän­ger­zo­nen und An­lie­gern vor­be­hal­ten, aber in den klei­ne­ren und den Dör­fern fährt man hin­durch, ich muss ja meist ins alte Zen­trum. Mit einem rich­ti­gen Wohn­mo­bil ist so etwas un­mög­lich - ich frage mich, wie die Vie­len mit ihren gro­ßen Kis­ten Städ­te be­sich­ti­gen, zumal es für diese Fahr­zeu­ge Park­plät­ze auch nur weit au­ßer­halb gibt. Ich je­den­falls bin glück­lich: die Be­schrän­kung auf 2 Meter Brei­te und 5 Meter Länge für das Fahr­zeug ist für mich un­um­gäng­lich.

Auch be­ein­dru­ckend: die Kir­che St-Roch, ge­weiht dem le­gen­dä­ren Stadt­hei­li­gen Ro­chus.

Schön da­ge­gen, ge­gen­über: die Fas­sa­de eines Hau­ses, die tat­säch­lich nur zwei Fens­ter hat, muss nicht häss­lich blei­ben ...

In der Stadt er­wacht nun das Leben auch am Fei­er­tag.
Es gibt hier in Süd­frank­reich schon auf­fal­lend viel Schwar­ze; man sieht sie v. a. in den Vor­städ­ten, zu­sam­men mit Mus­li­men, wohl haupt­säch­lich aus Ma­rok­ko und Al­ge­ri­en. Die Pro­ble­me der Vor­städ­te in Frank­reich sind be­kannt - und of­fen­bar durch die Kon­zen­tra­ti­on be­stimm­ter Be­völ­ke­rung dort ver­ur­sacht. Dass man für Wohn­ge­bie­te eine ei­ni­ger­ma­ßen aus­ge­wo­ge­ne so­zia­le Mi­schung fin­den muss, scheint in Frank­reich nicht der Brauch - hof­fent­lich warnt das schlech­te Bei­spiel, in Deutsch­land die­sen Feh­ler nicht nach­zu­ma­chen; Ten­den­zen dazu gibt es ja lei­der.

Beim Gang durch die Gas­sen fällt mir ein gro­ßes Ban­ner auf, das für ein Mu­se­um in einem ehe­ma­li­gen Klos­ter wirbt. Der Mann am Ein­gang bit­tet mich her­ein - kos­tet nur 3 €, da kann man nichts falsch ma­chen. Als ich be­zah­le, fragt er nach mei­ner Her­kunft und füllt dann sorg­fäl­tig sei­nen Sta­tis­tik­bo­gen aus; seit den letz­ten drei Tagen bin ich of­fen­sicht­lich der erste Be­su­cher - es gbt auch wenig zu sehen: eine doch sehr mit­ge­nom­men wir­ken­de Ju­gend­stil-Ka­pel­le und zwei Räume der ehe­ma­li­gen Apo­the­ke der Barm­her­zi­gen Schwes­tern.
Aber er­zäh­len muss ich end­lich, wie sehr ich über mein Fran­zö­sisch glück­lich bin: ich ver­ste­he bis­lang alles, was die Leute zu mir sagen; selbst im Radio be­kom­me ich das meis­te mit. Und auch ich selbst hatte noch keine Pro­ble­me, meine An­lie­gen aus­zu­drü­cken oder mich mit Leu­ten zu un­ter­hal­ten. Of­fen­bar hat es doch ge­nützt, dass ich sie­ben Jahre mei­ner Schul­zeit mit die­ser Spra­che aus­ein­an­der­ge­setzt habe, auch wenn es mit da­mals quä­lend er­schien. Und da ich kei­nen Hut trage, kei­nen Ruck­sack habe und auch kei­nen auf­fäl­li­gen Fo­to­ap­pa­rat, werde ich of­fen­bar meist auch nicht als Tou­rist er­kannt, son­dern oft nach dem Weg ge­fragt und in den Läden nor­mal be­han­delt.

Mont­pel­lier war auch ein Zen­trum der Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den Hu­ge­not­ten - so wie Jahr­hun­der­te zuvor schon mit den Al­bi­gen­ser. Die Re­ka­tho­li­sie­rung ge­lang ziem­lich per­fekt, erst nach der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on konn­ten sich die we­ni­gen ver­blie­be­ne Pro­tes­tan­ten of­fen­ba­ren; und wie man an ihrer Kir­che auch in Mont­pel­lier sieht, ste­hen sie bis heute am Rand. Die - we­ni­gen - evan­ge­li­schen Kir­chen haben üb­ri­gens alle keine Türme.

Am Nach­mit­tag will ich noch die ehe­ma­li­ge Ka­the­dra­le Ma­gue­lo­ne be­su­chen, die auf dem schma­len Damm zwi­schen dem Meer und dem Bin­nen­see liegt und der ur­sprüng­li­che Sitz der Bi­schö­fe von Mont­pel­lier war. Es gibt nur eine Zu­fahrt, durch einen Küs­ten­ort - aber dort ist heute, am Fei­er­tag, Stier­kampf! Tau­sen­de Autos su­chen dafür einen Park­platz, die Schlan­ge auf der einen Stra­ße ist end­los und be­wegt sich kaum. Nach einer Stun­de schlan­ge­ste­hen er­fah­re ich, dass auch die Zu­fahrt zum Klos­ter heute nicht mög­lich ist. Fei­er­tags­wahn­sinn in pral­len­der Sonne! Als ich zu­rück an mei­ner Au­to­bahn­rast­stät­te bin, ver­spricht das Abend­rot auch für den nächs­ten Tag bes­tes Wet­ter.

Frei­tag, 9. Mai

Ich blei­be ar­bei­tend an der Rast­stät­te. Da gibt es Plät­ze im Schat­ten (Dä­cher mit So­lar­an­la­ge), kos­ten­freie Toi­let­te, Du­sche für 2 €, einen Shop, falls man etwas braucht, im Ge­bäu­de In­ter­net und nachts ist man be­wacht, die Po­li­zei schaut öf­ters nach dem Rech­ten. Was will man mehr? Ge­wiss: die Ruhe fehlt.

Sams­tag, 10. Mai - Sonn­tag, 11. Mai

Es wird Zeit, den Be­such in der Ka­the­dra­le Ma­gue­lo­ne noch ein­mal zu ver­su­chen - am Vor­mit­tag wird kein Stier­kampf sein; und es ge­lingt tat­säch­lich. Ein ein­drück­li­ches Re­li­ef ziert den Ein­gang.

Die Kir­che hatte eine wech­sel­vol­le Ge­schich­te - siehe bei Be­ne­dikt von Ania­ne. Aus ihren Glanz­zei­ten gibt es pracht­vol­le Bi­schofs­grä­ber ...

... und einen Sarg aus der Zeit der Grün­dung im 6. Jahr­hun­dert.

Auf dem Weg zum Auto durch die Étangs freu­en sich auch die Möwen über das schö­ne Wet­ter.

Den er­neu­ten, mit Ge­duld im sams­täg­li­chen Stadt­ver­kehr er­kauf­ten Be­such in der Ka­the­dra­le in Mont­pel­lier hätte ich mir al­ler­dings er­spa­ren kön­nen - außer der glanz­vol­len Ka­the­dra des Bi­schofs gibt es wenig Se­hens­wer­tes.

In mei­nem Rei­se­füh­rer steht, es gebe we­ni­ge Rad­we­ge in Frank­reich; das stimmt nun in keins­ter Weise. Über­all wird bes­tens für Fu­ßgän­ger und Rad­fah­rer ge­sorgt, hier ein rein zu­fäl­li­ges Bei­spiel in Mont­pel­lier: die Stra­ße wird zur Ein­bahn­stra­ße ge­macht, ⅓ be­kom­men die Autos, ⅓ die Fahr­rad­fah­rer, ⅓ die Fu­ßgän­ger. Und die Ab­sper­run­gen da­zwi­schen wird kein Au­to­fah­rer über­win­den wol­len oder kön­nen. Diese Ab­sper­run­gen gibt es über­all, so dass man als Au­to­fah­rer manch­mal ganz schön auf­pas­sen muss, nicht an­zu­schram­men, dazu un­zäh­li­ge Ral­len­tis­seurs. Auch auf den Land­stra­ßen gibt es zwar meist keine se­pa­ra­ten Rad­we­ge, aber in der Regel am rech­ten Rand farb­lich ab­ge­setz­te Spu­ren in beide Rich­tun­gen. In die­sem Land gilt nicht freie Fahrt son­dern frei­es Be­we­gen für freie Bür­ger!

Das durch Be­ne­dikt von Ania­ne ge­grün­de­te Klos­ter Ania­ne er­leb­te auch die Wech­sel­fäl­le der Ge­schich­te, zu­letzt als Ju­gend­ge­fäng­nis, ent­spre­chend ist sein Zu­stand. Nun wird es re­stau­riert.

Als Trost für alle in Deutsch­land unter der pas­to­ra­len Si­tua­ti­on lei­den­den Ka­tho­li­ken hier ein Blick nach Frank­reich: 1 Ge­mein­de, 26 Orte mit Kir­chen, 5 Pries­ter. Messe eher fall­wei­se.

Auf dem Park­platz des Dor­fes steht die­ses Pracht­ex­em­plar eines 2CV, zu­ge­las­sen, fahr­be­reit. Was man auf dem Foto kaum er­kennt: die bei­den Sitze sind Cam­ping­s­tüh­le. Alte, meist auf­ge­hübsch­te Enten sieht man immer wie­der.

Ich bin kurz vor dem eben­falls be­rühm­ten Klos­ter St-Guil­hem-le-Dé­sert, das Wil­helm von Aqui­ta­ni­en in der Wüste, der Ein­sam­keit der Berge in den Ce­ven­nen, grün­de­te im Sei­ten­tal die­ser Schlucht.

Am Aus­gang der Schlucht ist diese alte Brü­cke, die der Le­gen­de zu­fol­ge der Teu­fel ge­baut hat.

Das Dorf um das Klos­ter nennt sich eines der schöns­ten Frank­reichs - und ist dem­entspre­chend be­sucht.

der Kreuz­gang

Ori­gi­nell ge­stal­tet ist in Er­man­ge­lung alter Aus­stat­tung die Kryp­ta.

Ein ur­al­ter Tauf­stein wurde aus einer ab­ge­gan­ge­nen Dorf­kir­che der Ge­gend hier­her ge­bracht.

Die Wei­ter­fahrt geht an einem Stau­see vor­bei, hier suche und finde ich einen Cam­ping­platz - ein­fach, sau­ber, preis­wert und höchst still, fern der Stra­ße. Strom brau­che ich nicht, da meine So­lar­an­la­ge funk­tio­niert. Natur, Vo­gel­ge­zwit­scher, das Ge­räusch des wie­der auf­kom­men­den Win­des in den Bäu­men, in der Nacht völ­li­ge Dun­kel­heit, nur der Mond - schon recht voll - und die Lich­ter eines fer­nen Dor­fes.
Auch tags­über: Ruhe. Ein­fach Ruhe. Nur ein­mal hört man Mo­tor­rä­der. Warum ei­gent­lich müs­sen sich Zwei­rad­fah­rer an keine Ver­kehrs­re­geln hal­ten und warum dür­fen ei­ni­ge We­ni­ge auf Mo­tor­rä­dern sol­chen Krach ma­chen, der tau­sen­de Men­schen stört - gibt es keine an­de­re Lö­sung für Po­tenz­pro­ble­me?

Ent­ge­gen mei­ner ers­ten Ab­sicht blei­be ich und ge­nie­ße den Sonn­tag.

Tags­über fällt mir we­ni­ge Meter von mei­nem Platz eine Amei­sen­stra­ße auf: Im Gän­se­marsch ren­nen hun­der­te ge­schäf­ti­ge Amei­sen wie auf der Au­to­bahn hin­ter­ein­an­der her; es herrscht ge­ord­ne­ter Rechts­ver­kehr. Am nächs­ten Mor­gen fällt mir auf: es sind erst ganz we­ni­ge Früh­auf­ste­her un­ter­wegs, und jetzt gilt of­fen­bar keine Regel, beim sel­te­nen Ge­gen­ver­kehr muss man sich nun ei­ni­gen und tut das nach kur­zem Zö­gern. In der Abend­däm­me­rung das­sel­be Bild mit den letz­ten Nacht­schwär­mern. Das ge­fällt mir: ein ge­ord­ne­ter Staat, aber mit in­di­vi­du­el­len Rech­ten, was die Ar­beits­zeit be­trifft, und Frei­heit der Be­we­gung, wenn keine Vor­schrift Not tut!

Ein Cam­ping­platz (fast) nur für mich - herr­lich. Ich habe in­zwi­schen auch mein Ar­beits­tem­po ge­fun­den: 1 Tag rei­sen heißt da­nach 1 bis 1½ Tage ar­bei­ten - das Ma­te­ri­al ins ein­fü­gen, bel­le­tris­ti­sches und den Rest in den Blog.

Mon­tag, 12. Mai

Im Städt­chen Lodève, wo Ful­cran von Lodève Bi­schof war, gibt es eine große (ehe­ma­li­ge) Ka­the­dra­le; mit der Be­sich­ti­gung muss ich war­ten, weil ge­ra­de eine Be­er­di­gung statt­fin­det - wie­der sind sehr viele Leute da, of­fen­bar wird die Tra­di­ti­on in Frank­reich je­den­falls was dies be­trifft hoch­ge­hal­ten. Der Pries­ter pre­digt sehr en­ga­giert, ich schaue mir einst­wei­len aber doch das Städt­chen an.

Spä­ter, im Kreuz­gang: diese schö­ne alte Sta­tue von Chris­to­pho­rus (man sieht in sei­ner rech­ten Hand (= links!) noch das Bein des Chris­tus, den er trägt.

Die Wei­ter­fahrt geht über eine Pass­stra­ße durch die Berge der Ce­ven­nen mit herr­li­cher Land­schaft und noch rei­cher Ve­ge­ta­ti­on. Das ist das schö­ne am Früh­jahr: die Tem­pe­ra­tu­ren sind schon sehr an­ge­nehm, die Natur in fri­schem Grün - mir wird klar, dass ich die letz­ten 30 Jahre das Früh­jahr ei­gent­lich immer ver­passt habe, weil vor Pfings­ten der Beruf keine Zeit ließ, es wirk­lich wahr­zu­neh­men, gar zu ge­nie­ßen. Dafür ist es jetzt umso schö­ner!

Ich bin in Béda­rieux, dem Ge­burts­ort von Paul Ra­baut, einem wich­ti­gen Ver­tre­ter der Hu­ge­not­ten. Von dem finde ich: nichts. Keine re­for­mier­te Kir­che, kein Hin­weis in der klei­nen Stadt, im Tou­ris­mus­bü­ro kennt ihn nie­mand. Dafür gibt es die­sen lus­ti­gen Brun­nen vor der städ­ti­schen Me­dia­thek.

Ler­nen kann man aber, wie man Ge­gen­re­for­ma­ti­on macht: vom Hügel ober­halb des Städt­chens grüßt das Kreuz auf die Haupt­stra­ße herab.

In jedem Dorf, in jeder Stadt - hier in St-Pons-de-Tho­mières - wird das fran­zö­si­sche Na­tio­nal­be­wusst­sein deut­lich aus­ge­drückt. Aber in kei­nem Fall gab es ir­gend­wel­che Vor­be­hal­te gegen mich als Deut­schem - das war vor Jahr­zehn­ten an­ders - die eu­ro­päi­sche Ei­ni­gung ist ge­glückt! Und wir als Deut­sche haben allen Grund, dank­bar zu sein, statt un­se­re Krä­mer­see­le her­vor­zu­keh­ren.

Wie eine Fes­tung ober­halb der Stadt: die Ka­the­dra­le von Bé­ziers. Den Platz vor der Ka­the­dra­le haben die Stadt­vä­ter Al­bi­gen­ser-Platz ge­nannt - ganz schön frech!

Die Ka­the­dra­le - auch kein Bi­schofs­sitz mehr - ist auch innen eine Wucht und rie­sig. Schön: die alte Chris­tusfigur.

eher Kitsch: Jesu Taufe

die Ka­the­dra­le vom Kreuz­gang aus ge­se­hen

Agde - noch nicht das be­rühm­te Kap, son­dern die Stadt im Lan­des­in­ne­ren, aber auch schon ganz tou­ris­tisch, war frü­her eben­falls Bi­schofs­sitz - der mäch­ti­ge Turm ist der der Ka­the­dra­le.
Am Cap d'Agde war ich vor Jah­ren mit einem mei­ner Söhne und des­sen Freund - nach we­ni­gen Tagen sind wir in die Ce­ven­nen ge­flo­hen. Aber un­ver­gess­lich: da­mals ging wie ein Lauf­feu­er und mit Ent­set­zen die Nach­richt vom Un­fall­tod von Lady Diana über den Cam­ping­platz. Schon da­mals war sie auch so etwas wie eine Hei­li­ge.

Reste der Stadt­mau­er sind er­hal­ten, er­baut im Mit­tel­al­ter durch den Bi­schof der Stadt auf den - unten noch er­kenn­ba­ren - Fun­da­men­ten der alten Stadt­mau­er der grie­chi­schen Stadt­grün­der aus dem 4. Jahr­hun­dert v. Chr. Als 1560 die Pro­tes­tan­ten die Stadt ein­nah­men, brach­ten sie an der Mauer ihr Sigel - vier Wel­len­li­ni­en - an (das ist auf dem ver­klei­ner­ten Foto lei­der nicht mehr er­kenn­bar).

Über die Be­ma­lung einer nack­ten Haus­fas­sa­de war ich schon in Mont­pel­lier be­geis­tert, in Agde ist das Ganze noch groß­for­ma­ti­ger.

Diens­tag, 13. Mai

Den Tag ver­brin­ge ich ar­bei­tend an einer Rast­stät­te. Am Abend stellt sich ein ge­pfleg­tes Auto neben meine Kiste, es ent­stei­gen ein se­riö­ser älter Herr, ein di­cker, schmie­ri­ger jun­ger Mann und eine schlan­ke Frau mit lan­gem Rock und Kopf­tuch; sie be­rei­tet auf­wen­dig das warme Abend­es­sen. Ma­rok­ka­ner auf dem Weg in die Hei­mat? Mus­lim müss­te man sein, dann be­kommt man ge­kocht! Der Schmie­ri­ge kommt spä­ter zu mir, spricht wenig Fran­zö­sisch, ein biss­chen Deutsch. Nein, er sei nicht Ma­rok­ka­ner, son­dern Türke - aus An­ka­ra. Da sei ich letz­tes Jahr ge­we­sen, er­zäh­le ich, aber es in­ter­es­siert ihn nicht - der ist kein Türke. Was ich denn mache, als Tou­rist nach Spa­ni­en? Nein, ich schrei­be, wie er ja sieht - wie soll ich es er­klä­ren? - Bü­cher. Da ver­die­ne man si­cher viel Geld. Nein - lei­der. Ich frage, wo sie hin­woll­ten. Nach Mont­pel­lier - aber das liegt hin­ter uns. Er habe drei Kin­der, die Schlan­ke sei seine Frau; die Kin­der seien - na­tür­lich in An­ka­ra. Nichts an sei­nen Ge­schich­ten stimmt. Aber eine Zi­ga­ret­te - die be­kommt er, gerne. Wäh­rend­des­sen hat die Frau das Zelt auf­ge­baut, der Äl­te­re schläft im Auto, die bei­den im Zelt. Ich schaue mir vor­sichts­hal­ber die Au­to­num­mer an: RO - Ru­mä­ni­en. Roma also. Mor­gens tritt er, mich freu­de­strah­lend be­grü­ßend, aus der Du­sche; der Äl­te­re ab­sol­vier­te der­wei­len rau­chend sei­nen Mor­gen­spa­zier­gang, die Frau baute das Zelt ab, räum­te alles wohl­ge­ord­net ins Auto, brach­te den Müll weg, dann putz­te sie das Auto außen und innen an allen denk­ba­ren Tei­len. Müss­te man Roma sein?
Abends stehe ich in einer Au­to­schlan­ge, am Stra­ßen­rand ist eine Wasch­an­la­ge. Ich putze meine Kiste.

Mitt­woch, 14. Mai

In Nar­bon­ne steht an der Stel­le des an­geb­li­chen Ge­burts­hau­ses des be­rühm­ten Mär­ty­rers Se­bas­ti­an eine Kir­che, an der die­ses alte Pil­ger­re­lief an­ge­bracht ist.

Nicht auf ein Foto zu ban­nen ist die Ka­the­dra­le von Nar­bon­ne, dabei ist das nur der ab 1272 ge­bau­te Chor; das ge­plan­te Schiff konn­te 1340 wegen des Wi­der­stan­des der Stadt­vä­ter, da­nach wegen der Pest, dann wegen des wirt­schaft­li­chen Nie­der­gangs der Stadt durch Ver­san­dung des Ha­fens nicht ge­baut wer­den. Als man end­lich bauen woll­te, kam die Fran­zö­si­sche Re­vo­lu­ti­on. Aber auch der Chor al­lein ist eine Wucht - außen und innen.

Ein Go­be­lin stellt die Taufe eines Mus­li­men durch - den schreck­li­chen - Papst Alex­an­der VI. dar.

der Altar der Ma­ri­enka­pel­le

Das heu­ti­ge Rat­haus in Nar­bon­ne war frü­her der Bi­schof­s­pa­last.

Auch der von der ka­ro­lin­gi­schen Kir­che - er­baut unter Erz­bi­schof Theo­dard von Nar­bon­ne - übrig ge­blie­be­ne Turm ist heute Teil des Rat­hau­ses.

Vor dem Rat­haus hat man ein Stück der Via Dor­mi­tia, der Rö­mer­stra­ße nach Spa­ni­en, die mir hier immer wie­der be­geg­net, frei­ge­legt.

Am Rat­haus ist die­ser Brun­nen.

Auf der an­de­ren Seite des Ka­nals, der das Mit­tel­meer mit dem Canal du Midi ver­bin­det, steht die Markt­hal­le ...

... ein 1901 er­rich­te­tes Ge­bäu­de mit Ju­gend­stil-Ele­men­ten; sie steht am Platz Emile Zola - geis­ti­ge und leib­li­che Ge­nüs­se ge­hö­ren zu­sam­men.

Eine sehr schön ge­rich­te­te, ge­pfleg­te An­la­ge in Pri­vat­be­sitz ist das ehe­ma­li­ge Zis­ter­zi­en­serklos­ter Font­fro­ide, ent­stan­den ab 1145 an der Stel­le eines frü­he­ren Be­ne­dik­ti­nerklos­ters. Nach einer Blü­te­zeit be­gann mit der Pest 1348 ein Nie­der­gang, von dem sich das Klos­ter nie mehr er­hol­te, 1791 wurde es end­gül­tig ge­schlos­sen und ging bald da­nach in Pri­vat­be­sitz über. 1858 bis 1901 leb­ten dort noch­ein­mal Zis­ter­zi­en­ser. Ab 1908 un­ter­nahm der neue pri­va­te Be­sit­zer um­fang­rei­che Re­stau­rie­run­gen.

eine der Sei­ten­ka­pel­len in der Kir­che aus dem 12. Jahr­hun­dert

der Ka­pi­tel­saal

der Kreuz­gang

der Schlaf­saal der Lai­en­brü­der mit Platz für 200 Brü­der

Auch die­ses Klos­ter ist gut be­sucht, ob­wohl weder Sai­son, noch Wo­chen­de oder Fei­er­tag ist - trotz der 10 € Ein­tritt.

In Per­pi­gnan fällt zu­nächst das wehr­haf­te Kas­tell auf. Per­pi­gnan war die Re­si­denz des Kö­nigs von Mal­lor­ca - den gabs wirk­lich, 1276 bis 1344 re­gier­te er die Ba­lea­ren und Teile von Ka­ta­lo­ni­en, zu dem das Rous­sil­lon ge­hört. Ich bin also ei­gent­lich schon in Spa­ni­en - erst seit 1659 ist die Ge­gend fran­zö­sisch, und hier sind die Orts­schil­der zwei­spra­chig, Fran­zö­sisch und Ka­ta­lo­nisch. Das ist üb­ri­gens in ganz Süd­frank­reich so, im Osten ist es Fran­zö­sisch und Oc­ci­ta­nisch.

In der Ka­the­dra­le in Per­pi­gnan gibt es diese schö­ne Ma­ri­ensta­tue aus dem 11. Jahr­hun­dert.

Das Haus der Liga der See­fah­rer zeigt den Stolz der frü­he­ren Ha­fen­stadt.

Der Sitz des Bi­schofs war frü­her nicht in Per­pi­gnan, son­dern in Elne, nahe am Meer. Das do­ri­ge ehe­ma­li­ge Klos­ter ist heute Mu­se­um, v.a. wegen sei­nes se­hens­wer­ten Kreuz­gangs mit Säu­len aus ver­schie­de­nen Epo­chen.

In die­sem gibt es auch eine Fülle von Grab­ma­len. 1285 gab es Krieg zwi­schen Ka­ta­lo­ni­en und Frank­reich. Die Fran­zo­sen er­ober­ten die Stadt, die Be­völ­ke­rung flüch­te­te sich in die Ka­the­dra­le, die dar­auf­hin von den Fran­zo­sen an­ge­zün­det wurde, nie­der­brann­te und die Men­schen in den Tod riss.

Ein Tra­ge­al­tar für Eu­cha­ris­tieDie Eu­cha­ris­tie - von grie­chisch „ευχαριστειν, Dank sagen” - ver­ge­gen­wär­tigt das heil­vol­le Ster­ben Jesu Chris­ti. Die Rö­misch-Ka­tho­li­sche, die Or­tho­do­xe und die An­gli­ka­ni­sche Kir­che nen­nen diese Mahl­fei­er im An­schluss an 1. Ko­rin­ther­brief 11, 24 Eu­cha­ris­tie, die Evan­ge­li­schen Kir­chen spre­chen von „Abend­mahl” im An­schluss an Mar­kus­evan­ge­lium 14, 17 und 1. Ko­rin­ther­brief 11, 23.fei­ern au­ßer­halb der Kir­che.

Die Kiste für den Haus­rat, wohl eines Mön­ches.

Ein tra­di­ti­ons­be­wuss­ter Haus­ein­gang in der Stadt.

Am Abend will ich auf einen Cam­ping­platz am Strand. Ich muss Wä­sche wa­schen, die gro­ßen Plät­ze dort haben si­cher eine Ma­schi­ne. Ich klap­pe­re drei Orte ab - alle tot, men­schen­leer, die Gast­stät­ten und Ge­schäf­te ge­schlos­sen, auch der Su­per­markt ist zu, eben­so die Cam­ping­plät­ze - hier gibt es Leben nur in der Hoch­sai­son, jetzt ste­hen ver­las­se­ne Be­ton­bur­gen und Fe­ri­en­häu­ser in der Land­schaft. Schlie­ß­lich finde ich einen kom­mu­na­len Cam­ping­platz mit gro­ßem Pla­kat: Ge­öff­net ab 1. März. Na also, al­ler­dings ist das Tor ge­schlos­sen. Man solle läu­ten, steht an der Sprech­an­la­ge - es mel­det sich nur kei­ner. Also fahre ich ins Lan­des­in­ne­re, auf einen Cam­ping am Bau­ern­hof aus dem ADAC-Cam­ping­füh­rer (seit ich den kenne, also seit über 20 Jah­ren, weiß ich, dass ADAC-Wer­tun­gen nicht zu trau­en ist - aber er ist eben mit Ab­stand der um­fas­sends­te Weg­wei­ser für Cam­ping­plät­ze - je­den­falls ab­ge­se­hen vom In­ter­net, wo z. B. die Seite http://​meinwomo.​net her­vor­ra­gend ist. Hier ist auch kei­ner mehr da, aber die Schran­ke ist offen und die An­mel­dung ist am nächs­ten Mor­gen mög­lich.

Don­ners­tag, 15. Mai bis Frei­tag, 18. Mai

Hier ist es wun­der­schön, ruhig, na­tur­nah, gute In­ter­net-Ver­bin­dung (kos­ten­los) - und das alles für 10 € am Tag. Dazu ein herr­li­ches Wet­ter, end­lich ohne den kal­ten Wind, der trotz des strah­len­den Son­nen­scheins die letz­ten drei Tage wie­der sehr läs­tig war. Zwei Ehe­paa­re sind noch da, aber die sieht man auf dem te­ras­sier­ten und mit viel Grün ge­stal­te­ten Platz gar nicht. Eine super Pro­fi-Wasch­ma­schi­ne haben die und am Abend einen Mond­auf­gang, wie ich ihn noch nie ge­se­hen habe.

Am Abend des Don­ners­tags war ich im Städt­chen, woll­te Brot und Zi­ga­ret­ten kau­fen, aber Bä­cker und Ta­bak­la­den haben ge­schlos­sen. In der Bar, wo es über­all in Frank­reich Zi­ga­ret­ten gibt, hat man auch keine; aber der Wirt be­sorgt mir gerne wel­che von einem Gast - spa­ni­sche Zi­ga­ret­ten für nur 5 €; mir wird klar: ich bin ganz nahe an der Gren­ze, da kauft kei­ner die Zi­ga­ret­ten hier. Aber wie wenig hier los ist? Pro­vinz eben!
Am nächs­ten Mor­gen fällt mit plötz­lich ein: ges­tern war wohl schon wie­der Fei­er­tag - klar: Chris­ti Him­mel­fahrt. Tja, ich lebe zeit­los. Rent­ner­da­sein. Gro­ßar­tig!
Tat­säch­lich: heute haben die Läden offen. Ich kaufe Kü­chen­tü­cher, um die Schei­ben mei­ner Kiste strei­fen­los sau­ber zu be­kom­men. Von Zi­geu­nern lass ich mir schlie­ß­lich nichts vor­ma­chen!

Sams­tag, 16. Mai bis Sonn­tag, 18. Mai

Und weil der Mensch lern­fä­hig ist - selbst ich, und im Alter - muss ich also nach Spa­ni­en zum Zi­ga­ret­ten­kau­fen; das sind von hier keine 10 km und spart pro Schach­tel 2,10 €. Die Gren­ze ist in Le Per­t­hus, das zu­gleich Els Li­mits heißt und teilt das Dorf mit­ten auf der Stra­ße; links ist Frank­reich, rechts Spa­ni­en. Ent­spre­chend ist hier die Hölle los: Spa­ni­er kau­fen links, was in Frank­reich preis­wer­ter ist, Fran­zo­sen rechts die spa­ni­schen Schnäpp­chen; z. B. Zi­g­ar­tet­ten.

Ober­halb des Ört­chens thront die Fes­tung. Nach­dem die Fran­zo­sen 1659 die­sen Teil von Ka­ta­lo­ni­en über­nom­men hat­ten, muss­ten sie na­tür­lich die neue Gren­ze si­chern. Das galt fast 300 Jahre lang - wie gro­ßar­tig ist da­ge­gen das in den letz­ten fast 70 Jah­ren ge­wach­se­ne ver­ein­te Eu­ro­pa - keine Gren­zen, keine Kon­trol­len, keine Waf­fen - nur noch Schnäpp­chen.

Die Stra­ße zur Fes­tung hat der Ro­ta­ry-Club ge­stif­tet. Na also: man kann als Rei­cher auch sinn­vol­les ma­chen.

Meine Fens­ter glän­zen in­zwi­schen schlie­ren­frei, die wür­den jeder Ro­ma-Frau Ehre ma­chen. Also folge ich dem Vor­bild des hol­län­di­schen Platz­ge­nos­sen und lege mich zum Son­nen an den Pool - den gibts hier auch um­sonst. Das Was­ser - ich pro­biiiiie­re es - pro­biiiiiiiiiie­re es - pro­biiiiiiiiiiiiiiiiiiiii­re es. Nun gut, ich kann ja warm du­schen gehen.
Die In­ter­net-Ver­bin­dung hier ist wun­der­bar - nur hoch­la­den kann man nichts, das ist ab­ge­blockt, da konn­te mir auch mein Sohn Tobi per Chat nicht hel­fen. Des­halb gehe ich in den Ort zu Mc­Do­nalds, denn es wird Zeit, meine Ar­beits­er­geb­nis­se auch der Welt zu prä­sen­tie­ren. Mag­gies gibt's hier über­all - ich er­in­ne­re mich, dass die Fran­zo­sen die­sen An­griff auf ihre Ess­kul­tur ein­mal ab­weh­ren woll­ten, das ist of­fen­sicht­lich gran­di­os ge­schei­tert. Und wenn Ihr das lesen könnt, hat es tat­säch­lich ge­klappt!

Die Tracks - wie­der ein­mal un­voll­stän­dig:
Mont­pel­lier2
Mont­pel­lier3
Agde
Stau­see
Per­pi­gnan fehlt lei­der

ge­schrie­ben am 11., 17. und 18. Mai 2014



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